Handelsgericht Wien entlastet Franken-Kreditnehmer

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Bank darf Referenzwert nicht bei null einfrieren.

Wien. Der Streit um die Kreditzinsen in Zeiten negativer Referenzzinssätze ist um eine Facette reicher: Das Handelsgericht Wien entlastet einen Franken-Kreditnehmer; die Bank muss akzeptieren, dass bei der Berechnung des variablen Zinssatzes der Indikatorwert auch ins Negative drehen kann und nicht bei null einzufrieren ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Kunde und seine damalige Frau nahmen 2006 bei der Bank einen endfälligen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken im Wert von 284.000 Euro auf. Im Kreditvertrag war für die Berechnung des quartalsweisen Zinssatzes vorgesehen, zum Indikatorwert (CHF-Libor-3-Monate, derzeit -0,731%) 0,875% Aufschlag zu addieren.

Als Ende 2014 der Indikatorwert negativ wurde, ergab sich zeitweise ein Zinssatz von null Prozent. Im Juni 2015 teilte die Bank ihren Kunden schriftlich mit, dass eine Lücke im Vertrag bestehe, die sie auf ihre Weise füllen werde: Künftig werde als niedrigster Indikatorwert null Prozent angesetzt. Demnach habe der Kreditnehmer stets mindestens 0,875% an Zinsen zu bezahlen. Also zog die Bank für die Quartale drei und vier des Jahres 2015 insgesamt 1862,20 Euro vom Verrechnungskonto ihres Kunden ab – um 1602,78 Euro mehr, als er zu zahlen gehabt hätte, wäre der Indikatorwert nicht eingefroren worden. Vertreten durch Thomas Boller und Max Wälde von BLS Rechtsanwälte klagte der Kunde diese Differenz plus 779,33 Euro aus dem ersten Quartal 2016 ein.

Die Bank argumentierte unter anderem damit, dass ihr jedenfalls der Aufschlag bleiben müsse. Es würde sonst niemand mehr Geld verleihen, wenn er damit rechnen müsse, dieses gratis zur Verfügung zu stellen oder dafür zu zahlen.

„Keinesfalls unentgeltlich“

Für das HG Wien kann von Unentgeltlichkeit jedoch keine Rede sein. „Der Kreditnehmer bezahlte über Jahre deutlich höhere Zinsen und bezahlt auch laufend Kontoführungsentgelte an die Beklagte, die ebenso mit einer Gewinnmarge kalkuliert sind“ (56 Cg 7/16x).

Im Gegensatz zur Bank sieht das Gericht keine Lücke im Vertrag. Der vereinbarte Indikatorwert stelle einen Interbankenzinssatz dar, zu dem sich die Bank refinanzieren kann. Durch den zusätzlich vom Kreditnehmer zu zahlenden Aufschlag (hier: 0,875%) kann die Bank stets zu einem für sie billigeren Zinssatz auf dem Interbankenmarkt Refinanzierungsmittel aufnehmen, als sie ihn für den Verbraucherkreditvertrag kalkulieren muss.

Das Gericht hält ausdrücklich fest, dass diese Berechnungsmethode auch bei negativem Indikatorwert beizubehalten ist. Eine Untergrenze ist im Spruch nicht enthalten. Laut Thomas Boller, Partner bei BLS Rechtsanwälte, hätte die Entscheidung bei Rechtskraft weitreichende Folgen: Es käme zu einer Zinszahlungspflicht der Bank, wenn der Indikatorwert – in diesem Fall – unter -0,875% fällt. Zu viel einbehaltene Zinsen wären zurückzuzahlen.

Es gibt bereits mehrere Entscheidungen zu Zinsgleitklauseln: Nachdem der Verein für Konsumenteninformation Urteile erwirkt hat, die es Banken verbieten, die Zahlung von Negativzinsen an Kreditnehmer generell auszuschließen, hielt das Bezirksgericht für Handelssachen Wien fest: Der Zinssatz kann nicht ins Negative drehen und nicht auf null fallen. Kein Urteil ist rechtskräftig. (kom)

Zum Urteil im Volltext

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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