Großes Theater um Opernbetriebsrat

DEATH IN VENICE
DEATH IN VENICE(c) APA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
  • Drucken

Auch Musicaldarsteller können im Betriebsrat ihre Stimme für Opernsänger erheben.

WIEN. Wenn ein Künstler im Theater als Betriebsrat fungiert, muss man ihn für die Dauer seines Mandats bezahlen. Von sonstigen Darstellern kann man sich hingegen nach Ende des Vertrages ganz simpel trennen. Dieser Gedanke macht es für den Arbeitgeber verlockend, auf ein vorzeitiges Ende des Betriebsratsmandats zu klagen. So geschehen im Theater an der Wien. Der Betreiber, die Vereinigten Bühnen Wien, wandten sich ans Gericht. Ihr Argument: Der Betriebszweck des Theaters an der Wien habe sich grundlegend geändert. Vier Betriebsräte – allesamt Musicaldarsteller – seien daher nicht mehr korrekt im Amt.

Der erste Akt der Geschichte spielte im März 2004: Damals fand eine Wahl zum Betriebsrat des darstellenden Personals am Theater an der Wien statt. Seit 1. 1. 2006 seien diese Betriebsräte aber nicht mehr korrekt im Amt, meinten die Vereinigten Bühnen. Tatsächlich ist seit Jänner 2006 nämlich einiges anders am Theater an der Wien: Musicalaufführungen gibt es nicht mehr, und die Aufnahme wird auch nicht für die Zukunft erwartet. Das Theater wird jetzt als sogenanntes „Stagione-Opernhaus“ geführt. Nur zugekaufte Opernproduktionen werden über einen kurzen, vorgegebenen Zeitraum aufgeführt. Auch die Verträge werden nun anders gestaltet: War das darstellende Personal früher üblicherweise befristet auf höchstens ein Jahr engagiert, werden die Verträge jetzt nur noch auf maximal zwei Monate abgeschlossen. Ständig beschäftigt sind nur zwei Inspizienten und zwei künstlerische Produktionsleiter. Auch wird das Ständige Orchester der Vereinigten Bühnen Wien nicht mehr am Theater eingesetzt, stattdessen spielt ein Gastorchester.

Wie endlich ist „dauernd“?

Das Erstgericht gab der Klage der Vereinigten Bühnen statt: Der maßgebliche Teil der Belegschaft sei ausgetauscht worden, argumentierte der Richter. Es würden auch nicht mehr dauernd fünf stimmberechtigte Mitarbeiter beschäftigt werden. Macht doch nichts, meinte aber das Berufungsgericht. § 40 Abs 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) sehe zwar vor, dass Betriebsräte dann zu bilden sind, wenn „dauernd mindestens fünf stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden“. Der Begriff „dauernd“ beziehe sich aber nicht auf die einzelnen Arbeitnehmer, sondern auf die Gesamtzahl. Diese könne genauso durch ständig wechselnde Personen erreicht werden. Das Absinken der Anzahl der Arbeitnehmer wirke sich außerdem nicht auf die Tätigkeitsdauer des Betriebsrats aus. Die Änderungen im Bereich Organisation, Betriebsmittel und Spielplan seien nicht so gravierend, dass man von einer Betriebseinstellung sprechen müsste. Schon früher habe es im Theater an der Wien saisonale Opernaufführungen gegeben, es sei daher nur das eine Genre zulasten eines anderen ausgeweitet worden. Überdies seien Musical und Oper lediglich unterschiedliche Kunstgattungen des Musiktheaters im Allgemeinen. Auch deswegen könne von einer wesentlichen Änderung des Betriebszwecks nicht gesprochen werden.

Die Vereinigten Bühnen wandten sich nun an den Obersten Gerichtshof (9 Ob A 83/08h). Doch dieser ließ den letzten Akt bei Gericht gewissermaßen ausfallen. Der OGH erklärte nämlich, dass die Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliege. Hart ins Gericht geht der OGH aber mit den Ausführungen der Arbeitgeberseite: „Geradezu unverständlich sind die Revisionsausführungen über eine mangelnde Qualifikation von Musicaldarstellern, als Betriebsräte die Belange von Operndarstellern zu vertreten.“ So sei es den Vereinigten Bühnen nicht gelungen, darzulegen, inwiefern die betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte des Betriebsrats branchen- oder berufsabhängig seien. „In arbeitsteilig organisierten Unternehmen wird es zudem praktisch kaum möglich sein, dass die gewählten Betriebsratsmitglieder mit ihrer Ausbildung und Erfahrung fachlich sämtliche der in der Belegschaft vorkommenden Berufs- und Tätigkeitsfelder abdecken“, so der OGH in der kürzlich ergangenen Entscheidung.

Detail am Rande: Inzwischen ist das Betriebsratsmandat der beklagten Darsteller ohnedies regulär abgelaufen.

AUF EINEN BLICK

Am Theater an der Wien wurde das Programm umgestellt: Musicals werden nun nicht mehr aufgeführt, stattdessen stehen zugekaufte Opern auf der Tagesordnung. Die als Musicaldarsteller in den Betriebsrat gewählten Personen dürfen aber weiterhin ihr Mandat als Vertreter der Arbeitnehmer ausüben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.