Verwaltungsrecht: "Strafen überschießend, alternativlos"

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Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer machen sich gemeinsam für eine breitere Anwendung des Grundsatzes "Beraten statt strafen" stark.

Wien. 2000 Euro Strafe gegen einen Unternehmer, der einen neuen Mitarbeiter elf Minuten zu spät bei der Krankenkasse angemeldet hat; 1400 Euro gegen einen Tiroler Imker, der auf Honiggläsern nur den Hofnamen nannte, nicht aber seine Adresse; ein Strafrahmen von 1453 bis 7267 Euro bloß dafür, dass ein Güterbeförderungsunternehmen nicht dafür sorgt, dass seine Dienstnehmer die erforderlichen Fahrerbescheinigungen mitführen: Solche Verwaltungsstrafen und -strafdrohungen rufen jetzt die Wirtschafts- und die Landwirtschaftskammer auf den Plan: Gemeinsam machen sie sich dafür stark, dem Grundsatz „Beraten statt strafen“ stärker zum Durchbruch zu verhelfen.

„Die Schaffung neuer Strafnormen hat sich zu einem oft genützten gesellschaftspolitischen Allheilmittel entwickelt“, sagte Albin Larcher, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Tirol, bei einer Diskussionsveranstaltung der beiden Interessenvertretungen vorige Woche in Wien. Larcher bezweifelt, dass die Strafrahmen immer in einem nachvollziehbaren Verhältnis zur Bedeutung des geschützten Rechtsguts stehen. Die Behörden müssten überschießende Strafbestimmungen anwenden, alternative Erledigungsformen fehlten häufig.

Nicht gravierende Verstöße

„Die Behörden sollten bei nicht gravierenden Gesetzesverstößen belehren können, statt eine Strafe zu verhängen“, meinte auch Gerhart Wielinger, früherer Landesamtsdirektor der Steiermark. Er plädierte dafür, je nach Gesetzesmaterie eigene Regeln zu schaffen: „Eine allgemeine Regel kommt nicht in Betracht“, so Wielinger.

Nur eine Belehrung hätte sich auch Familienunternehmerin Andrea Prenner-Sigmund gewünscht: Sie wurde bestraft, weil sie bei der Marmelade „Pfeffrige Himbeere“ den Pfefferanteil nicht in Prozent angegeben hatte. Werner Fischl, als Geschäftsführer für fünf Privatkliniken verantwortlich, ortet eine in den vergangenen ein, zwei Jahren verschärfte Strafpraxis der Behörden. Josef Öberseder, ehemaliger Bezirkshauptmann-Stellvertreter von Grieskirchen, erklärt sich das unter anderem damit, dass immer mehr Bezirkshauptmannschaften eigene Strafabteilungen hätten, deren primäre Aufgabe eben das Strafen sei. Dagegen warnten die Generalsekretäre Anna Maria Hochhauser (WKÖ) und Josef Plank (LKÖ): Übertriebene Verwaltungsstrafen erschwerten das Wirtschaften und gefährdeten Betriebe. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2017)

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