Reform: "Druck aus dem Jusstudium nehmen"

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Statt auf Fundamentalproteste wie im Audimax setzen die Studierenden am Wiener Juridicum auf konkrete Forderungen nach besseren Studienbedingungen. Die ersten werden nun erfüllt.

WIEN. Während an der Wiener Haupt-Uni die Fronten zwischen Studierenden und Universitätsführung verhärtet bleiben, erweist sich die Situation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät als deutlich entspannter: Die Studentenvertreter am Juridicum haben sich von den Audimax-Besetzern distanziert und setzen an Stelle des Fundamental-Protests auf eine schrittweise Verbesserung der Studienbedingungen. „Wir wollen Druck rausnehmen aus dem Studienplan“, sagt Thomas Fussenegger (Aktionsgemeinschaft), Vorsitzender der Fakultätsvertretung Jus, im Gespräch mit der „Presse“. Erste Erfolge schlagen sich in Änderungen des Studienplans nieder, die übermorgen, Mittwoch, von der Studienkonferenz zum Vorschlag an die Curricularkommission beschlossen werden sollen.

Die Studienbedingungen am Juridicum haben sich zuletzt nicht gerade verbessert. Im Gegenteil: „Die Situation hat sich verschärft“, muss auch Studienprogrammleiter Franz Stefan Meissel feststellen. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Studienanfänger um mehr als 50 Prozent gestiegen, im Diplomstudium zählt man zurzeit 9500 Studierende. „Auf einen Professor kommen 300 Studierende“, sagt Meissel; das seien mehr als an jeder anderen deutschsprachigen Jusfakultät.

Trotz des wachsenden Andrangs hat sich die Fakultät vor drei Jahren entschlossen, das Studium stärker zu strukturieren – man kann es auch „verschulen“ nennen: indem deutlich mehr Pflichtübungen verlangt und „Voraussetzungsketten“ für die Abfolge der Prüfungen gelegt wurden. Das hatte nach Einschätzung der Studierenden zur Folge, dass das Studium – auch durch ein stetiges Anwachsen des Stoffumfangs in den einzelnen Fächern – nach dem vorgesehenen Schema „unstudierbar“ geworden ist. „Niemand studiert noch in der Zeit“, sagt Fussenegger. In einer Onlineumfrage unter Wiener Jusstudierenden war der Ruf nach „Grundlagen und Verständnis statt Detailwissen“ einer der lautesten (knapp 87 Prozent Zustimmung).

Meissel hält den Vorwurf der „Unstudierbarkeit“ für übertrieben, auch wenn er einräumt, dass die Anforderungen an Juristen gestiegen seien, auch außerhalb der Universität. „Wir müssen die Studierenden darauf vorbereiten.“ Der Anteil jener, die in der Mindestzeit (insgesamt acht Semester) liegen, sei zwar „sehr niedrig“. Relevant sei aber die Regelzeit, also die Mindestzeit plus eines Toleranzsemesters für jeden der drei Abschnitte. Und das schaffe die große Mehrheit.

Ohne vom Grundkonzept abweichen zu wollen, ist die Fakultät bereit, einzelnen Forderungen der Studierenden nachzukommen. So wird der Umfang des Strafrechts im ersten Abschnitt ein wenig reduziert; die als besonders beengend empfundene Voraussetzungskette im zweiten Abschnitt wird etwas gelockert: Das Zivilverfahrensrecht kann künftig auch nach dem „Fächerübergreifenden Modul II“ absolviert werden. Außerdem wird die sogenannte Sommeruniversität ausgebaut, das sind Lehrveranstaltungen in der vorlesungsfreien Zeit. Sie ermöglichen Studierenden, Pflichtübungen und Prüfungen nachzuholen, ohne gleich ein ganzes Semester zu verlieren. Auf kein Entgegenkommen stoßen die Studierenden mit ihrer Forderung nach transparenter Evaluierung von Prüfungen und Lehrveranstaltungen. Letztere werden zwar regelmäßig bewertet, Einblick in die Ergebnisse haben aber – und das ist für Fussenegger „ein Witz“ – nur die jeweiligen Vortragenden und der Studienprogrammleiter (eine rühmliche Ausnahme bildet das Institut für Finanzrecht unter Werner Doralt, der die geheime Evaluierung für „rausgeschmissenes Geld“ hält und die Resultate auf freiwilliger Basis auf der Homepage des Instituts veröffentlicht). Meissel zufolge ist die Zufriedenheit mit den Lehrveranstaltungen „erfreulich hoch“, und die Evaluierung habe hinter den Kulissen sehr wohl Folgen.

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Das reicht den Studierenden nicht; vielmehr verknüpfen sie mit dem Mangel an Transparenz die Forderung nach freier Prüferwahl: Die sei „absolut notwendig“, solange nicht Lehrveranstaltungen und Prüfungen objektiviert würden. Dekan Heinz Mayer hält die freie Prüferwahl (beim dritten Antreten vorgeschrieben) wie auch die mehrfache Wiederholbarkeit für ein Übel. Unter den Studenten, die Zeit haben und es sich leisten könnten, gebe es welche, die absichtlich zweimal ein „Nicht genügend“ machen, um dann den leichtesten den Prüfer zu wählen. Fussenegger spricht von „Einzelfällen“. Und: „Der Dekan verbringt zu viel Zeit damit, die Tricks angeblich fauler Studenten zu erraten, statt aus fleißigen Studenten gute Juristen zu machen.“

IN ZAHLEN

2200 Studierende haben in diesem Wintersemester ihr Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien begonnen. Das bedeutet einen Anstieg von mehr als 50 Prozent gegenüber 2004 (1500 Anfänger); im Wintersemester 2008/09 hatte es 1850 Studienanfänger gegeben.

9500 Studierende sind zurzeit im Diplomstudium registriert, davon gelten 7700 als „aktiv Studierende“, 2500 weitere im Doktoratsstudium.

Auf jeden Professor kommen jeweils 300 Studierende, das sind nach Aussagen der Wiener Jusfakultät mehr als an allen anderen Fakultäten im deutschen Sprachraum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2009)

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