Unterhalt an Exfrau mit fremden Kind: "kaum verständlich"

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Scheidung: Expertin hält Urteil des Obersten Gerichtshofes für irritierend, sieht es aber auf Judikaturlinie.

WIEN. „Die Geburt eines Kindes nach der Scheidung ist weder als Fall einer selbst verschuldeten Bedürftigkeit noch als schwere Verfehlung gegen den unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten zu qualifizieren.“ Mit dieser Begründung hat der Oberste Gerichtshof einen Mann dazu verurteilt, seiner ehemaligen Ehefrau weiter einen schon hinfällig geglaubten Unterhalt zu zahlen. Die Frau war, nachdem sie zwei eheliche Kinder groß gezogen hatte, von einem anderen Mann schwanger geworden. Sie musste sich als Alleinerzieherin intensiv um ihre hyperaktive Tochter kümmern. „Wegen der Unzumutbarkeit der Einkommenserzielung aufgrund der Betreuungspflicht gegenüber dem Kind lebt der Ehegattenunterhalt wieder auf“, entschied der Gerichtshof (3 Ob 134/09s).

Die Frage war höchst umstritten und ist – trotz zunehmender Verbreitung von Patchworkfamilien – bisher nur sehr vereinzelt bis zum Höchstgericht vorgedrungen: Kann es für den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Expartner eine Rolle spielen, ob man zusammen mit einem Dritten ein Kind bekommt? Edwin Gitschthaler, OGH-Hofrat und einer der führenden Unterhaltsrechtler des Landes, hat eine prägnante Antwort formuliert: Die Ehe würde, so Gitschthaler in einem Kommentar zum Ehegesetz, „zu einem reinen Versicherungsvertrag verkommen“, wenn der Unterhaltspflichtige – möglicherweise Jahre nach der Scheidung – plötzlich zu Unterhaltsleistungen etwa dann verpflichtet werden könne, wenn die Unterhaltsberechtigte von einem anderen Mann ein uneheliches Kind bekomme und deshalb ihre bisherige Erwerbstätigkeit aufgeben müsse. Dieser Meinung konnte sich der – ohne Gitschthaler zusammengesetzte Senat – aber nicht anschließen.

Das Paar hat sich, elf Jahre nachdem es im polnischen Lodz geheiratet hatte, 1993 in Österreich einvernehmlich scheiden lassen. Der gut verdienende Mann, Leiter einer Personal- und Rechtsabteilung, verpflichtete sich dabei, dem damals neunjährigen Sohn und der siebenjährigen Tochter Alimente zu zahlen, bis sie selbst erhaltungsfähig sein würden. Auch die Frau sollte mit monatlichen Unterhaltszahlungen bedacht werden. Diese Zahlungen stellte der Mann Ende 2003 ein, als er unverschuldet arbeitslos wurde.

Leiblicher Vater nur zu Besuch

Die Frau hatte mittlerweile einige Arbeiten angenommen, war eine Zeitlang selbstständig gewesen und bezog dann Sozialhilfe. Gestützt auf den Scheidungsvergleich führte sie gegen ihren ehemaligen Ehemann Exekution, um den Unterhalt einzutreiben. Der Mann setzte sich dagegen mit einer Oppositionsklage (§35 Exekutionsordnung) zur Wehr: Aus seiner Sicht hätten sich die Verhältnisse geändert, konnte die Frau längst selbst Geld verdienen und hätte ihren Unterhaltsanspruch durch ihre Berufstätigkeit verloren; dass sie sich nun um ein drittes Kind kümmern muss (der leibliche Vater betreut das Kind bloß im Rahmen seines Besuchsrechts), sei ihre Sache.

Für den OGH ist offenkundig, dass es keine Verpflichtung gibt, „sich nach einer Scheidung intimer Kontakte zu enthalten oder aber unter allen Umständen eine Schwangerschaft zu verhindern“, um sich einen Unterhaltsanspruch zu erhalten. Bei der Scheidung von einer Frau in gebährfähigem Alter nehme der Unterhaltspflichtige – abgesehen von den auch sonst jedermann treffenden Risken der Erkrankung oder Arbeitslosigkeit – auch ein ganz bestimmtes vorhersehbares Risiko auf sich: „Dass die Unterhaltspflicht entweder länger bestehen bleibt oder erst wiederum auflebt, weil die geschiedene Frau Mutter wird und schon wegen der erforderlichen Betreuung eines Kindes keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann“.

Die Unterhaltspflicht entstehe nicht durch die Zeugung des Kindes allein, so der OGH. Entscheidend sei, dass die Mutter ihr Kind in Erfüllung ihrer eigenen Unterhaltspflicht betreue und deshalb nicht erwerbstätig sein könne. Und, so der OGH sich zum Teil wiederholend: Ganz abgesehen davon, dass nicht jede Schwangerschaft auf einen konkreten Willensentschluss zurückgehe, gebe es keine Grundlage dafür, dem Unterhaltsberechtigten Vorschriften für die Gestaltung seines Lebens zu machen, deren Verletzung zum Verlust des Unterhalts führen würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2010)

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