Rückflug ohne Hinflug: Annullierung untersagt

Rueckflug ohne Hinflug Annullierung
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Das Handelsgericht Wien hat - in Anlehnung an Deutschland - entschieden: Eine Fluglinie darf den Hin- und Rückflug eines Billigtickets nicht wegen des Versäumens bloß eines Flugs für ungültig erklären.

WIEN. So manche europäische Fluglinie, die Wien anfliegt, muss ihre Tarifgestaltung überdenken. Das Handelsgericht Wien hat – soweit ersichtlich erstmals – eine durchaus gängige Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Fluglinie für ungültig erklärt, die einen vermeintlichen Preisvorteil der Buchung von Hin- und Rückflug im Paket zunichte macht: Wer beide Richtungen günstig gebucht hat, sollte demnach um den Rückflug umfallen, wenn er nicht auch den Hinflug angetreten hat. Wie das Gericht nun – in Anlehnung an eine bereits etablierte Rechtsprechung in Deutschland – entschieden hat, wird der Kunde damit „gröblich benachteiligt“.

Der Wiener Rechtsanwalt Bernhard Hainz, Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz, hatte mit seiner Familie ein Sonderangebot bei Iberia genutzt und sehr günstig die Flüge Wien–Madrid–Wien gebucht. Den Hinflug traten sie nicht an. Unter Verweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wurde deshalb der Rückflug annulliert: „Sollte ein Flug nicht angetreten werden“, so hieß und heißt es noch immer in den AGB der Iberia, „werden unabhängig vom ausgestellten Tarif alle nachfolgenden Flugreservierungen, die in dem gleichen Flugschein eingetragen sind, annulliert.“

Hainz musste daraufhin die Strecke Madrid–Wien neu buchen– nicht ohne erneut ein Tour-Retour-Angebot zu nehmen, nur diesmal mit dem Hin- als Heimflug. Das Paket beinhaltete zwar einen Flug am selben Tag und in derselben Maschine wie anfangs gebucht, war aber deutlich teurer als das Wiener Sonderangebot. Hierher zurückgekehrt, verlangte Hainz die Kosten der neuen Buchung zurück. Das Bezirksgericht für Handelssachen und dann auch das Handelsgericht Wien (1 R 197/09f) beurteilten die Klausel in den AGB als „gröblich benachteiligend“ und damit sittenwidrig und nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig: „Der Vertragspartner der Beklagten verliert (...) ungeachtet der von ihm geleisteten vollständigen Zahlung des Entgelts das Recht auf die Konsumation der weiteren (bezahlten) Flugleistung, ohne dafür in irgendeiner Form Ersatz oder Abgeltung zu erhalten“, so das Handelsgericht. Es sei evident, dass die Fluglinie einseitig bevorzugt werde, wenn sie nichts, der Kunde aber alles leisten müsse. Ein Nachteil, welcher der Fluglinie dadurch entstünde, dass der Passagier den ersten Flug nicht antritt, ist nicht erkennbar; vielmehr besteht für sie zumindest theoretisch sogar die Möglichkeit, den frei werdenden Platz noch rasch anderweitig zu vergeben.

Auch die deutsche Judikatur erkennt kein schutzwürdiges Interesse von Fluglinien, bei Nichtantritt eines Fluges die nachfolgende Beförderung zu verweigern. Selbst ein „Missbrauch“ durch einen Passagier, der von vornherein nur an einem der beiden Flüge interessiert wäre und den anderen gar nicht zu konsumieren beabsichtigte, stelle für den Vertragspartner keinen Nachteil dar: Der erhält das volle Entgelt und muss die Leistung nur teilweise erbringen.

Hainz ist mit der Entscheidung sehr zufrieden: Fluglinien könnten zwar nach wie vor billige „Lockangebote“ stellen, sie müssten diese aber allen Kunden unabhängig von der Flugrichtung in gleicher Weise einräumen. Hainz vergleicht das bisherige Verhalten vieler – nicht aller – Fluglinien mit einem Restaurant, das einem Gast, der ein Drei-Gänge-Menü geordert hat, den Hauptgang verweigert, nur weil er die Suppe nicht genommen hat.

Fluglinien, die sich nicht an die neue Judikatur halten, riskieren überdies, zu einer pauschalen Entschädigung nach der EU-Fluggastverordnung verurteilt zu werden. Sie beträgt bei einem unrechtmäßig annullierten Flug von mehr als 1500km 400 Euro pro Person.

Das Urteil im Volltext

AUF EINEN BLICK

Hin- und Rückflüge sind im Doppelpack oft billiger als One-Way-Tickets auf derselben Strecke. Viele Fluglinien knüpfen aber den Rücktransport an die Bedingung, dass die Passagiere auch den Hinflug tatsächlich in Anspruch nehmen. Das Handelsgericht Wien hat nun rechtskräftig entschieden, dass es sittenwidrig und nichtig ist, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Annullierung des Rückflugs vorzusehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2010)

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