181 km/h: Schweigsamer Deutscher siegt über Österreich

Schweigsamer Deutscher siegt ueber
Schweigsamer Deutscher siegt ueber(c) AP (MATTHIAS RIETSCHEL)
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Autobesitzer verweigerte Lenkerauskunft und wurde wegen Schnellfahrens bestraft. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte sieht Unschuldsvermutung verletzt.

181 Euro für 181 km/h: Das sollte die Strafe für einen deutschen Autobesitzer sein, dessen Fahrzeug in der Steiermark in eine Radarfalle geraten war. Erlaubt waren 130 km/h, das Auto war also eindeutig zu schnell unterwegs. Aber wer hat es gelenkt an jenem 26. Februar 2003, an dem die Messung durchgeführt wurde?
Der Zulassungsbesitzer, der Deutsche Claus Krumpholz, verweigerte die Lenkerauskunft. Er wurde aber nicht deshalb bestraft, sondern weil er nach Überzeugung der Behörden selbst am Steuer gesessen war. Der unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Steiermark bestätigte eine Strafe in Höhe von genau 180 Euro. Mit seiner Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hatte der Deutsche nun Erfolg: Österreich wurde verurteilt, weil das Recht des Beschwerdeführers zu schweigen und die Unschuldsvermutung verletzt wurden. Der Mann erhält von der Republik 7000 Euro Entschädigung für Kosten und Auslagen.

Beweislast überwälzt

Nach dem Straßburger Urteil haben sich die österreichischen Behörden zu sehr auf den Umstand gestützt, dass der Mann die Lenkerauskunft verweigert hatte. Die Beweislast sei damit in unzulässiger Weise von der Anklage auf die Verteidigung überwälzt worden, so der EGMR (Krumpholz gegen Österreich, Bsw. Nr. 13.201/05, Newsletter Menschenrechte, 2/2010, 99f.).

Gero Schmied, Mitglied des UVS Wien, erläutert – losgelöst vom konkreten Fall – die Rechtslage so: Eine Verwaltungsstrafe wegen Verweigerung der Lenkerauskunft ist, wie der  EGMR mit dem Urteil Rieg gegen Österreich klargestellt hat, zulässig. Wenn unklar bleibt, wer ein Auto vorschriftswidrig gelenkt hat, bleibt es oft bei dieser Strafe – der Höhe nach üblicherweise auch am Grunddelikt orientiert.

Indiz, aber kein Beweis

Selten, aber doch, erfolgt daneben auch eine Bestrafung des schweigsamen Zulassungsbesitzers auch wegen des Delikts, dessentwegen die Auskunft hätte eingeholt werden sollen. Dies vor allem dann, wenn es auch andere Beweismittel – wie Zeugenaussagen oder Fotos – gibt. Die Weigerung, Angaben über den wahren Lenker zu geben, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als Indiz gelten, sie ist aber für sich genommen kein Beweis.

Auto von mehreren Personen benützt

Dennoch wurde der Zulassungsbesitzer in diesem Fall wegen der Geschwindigkeitsübertretung bestraft. Er hatte in einer schriftlichen Stellungnahme angegeben, das Auto zum fraglichen Zeitpunkt nicht gelenkt zu haben und damals gar nicht in Österreich gewesen zu sein. Er könne nicht sagen, wer es gewesen sei, weil das Auto regelmäßig von mehreren Personen benützt werde. Nach Ansicht des UVS Steiermark hat der Mann damit seine Pflicht verletzt, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Eine mündliche Verhandlung unterblieb, weil der spätere Beschwerdeführer sie nicht beantragt hatte.

Anders als für den UVS ist für den EGMR in dieser Situation nicht zu schließen, dass der Mann selbst schuld ist. Statt dass die Behörde einen Beleg dafür hervorgebracht hätte, dass Claus Krumpholz persönlich der Schnellfahrer war, übertrug sie ihm die Beweislast für das Gegenteil und auch noch die Verantwortung für die Führung des Verfahrens samt mündlicher Verhandlung. 

Zum EGMR-Urteil im (englischen) Wortlaut

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