Meinungsfreiheit: Parodie auf Wahlplakat ist zulässig

Meinungsfreiheit Parodie Wahlplakat zulaessig
Meinungsfreiheit Parodie Wahlplakat zulaessig(c) Kronbichler
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Abtreibungsgegner brachten eine Persiflage auf Salzburgs Landeshauptfrau Burgstaller in Umlauf. Die Partei scheiterte mit dem Versuch, die Parodie zu untersagen.

Wien.Muss sich eine Politikerin eine wenig schmeichelhafte Parodie auf ihre Wahlwerbung gefallen lassen? Um diese Frage drehte sich ein Fall, der vor Kurzem vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschieden wurde.

Bei der Salzburger Landtagswahl im März 2009 galt es für Gabi Burgstaller erstmals, ihre Stellung als Landeshauptfrau zu verteidigen. Die Landes-SPÖ ließ Burgstaller werbewirksam inmitten von Kindern plakatieren, auch im Internet wurde das Bild lanciert. Dazu war in großen Lettern zu lesen „Mein Kindergarten. Meine Freunde. Meine Lieblingshauptfrau!“. Ein Verein, der schwangere Frauen zum Verzicht auf Abtreibungen ermutigen möchte, fertigte eine Parodie der SPÖ-Werbung an. Politischer Hintergrund: Burgstaller hatte die Vornahme von Abtreibungen in den Salzburger Landeskliniken ermöglicht. Auf der Persiflage war das Werbeplakat der SPÖ nachgezeichnet. Ein Kind neben Burgstaller war aber „ausradiert“, darunter stand der Text: „Weil ich Ihre Abtreibungsstation nicht überlebt habe: Kein Kindergarten. Keine Freunde. Keine Lieblingshauptfrau!“ Im Kleingedruckten fand sich überdies der Hinweis: „Seit April 2005 wird auf Burgstallers Anweisung im LKH-Salzburg abgetrieben, 4000 Kinder wurden seither getötet. Wählen Sie am 1. März nicht die SPÖ mit ihrer Abtreibungspolitik!“ Die Abtreibungsgegner publizierten das Bild im Internet und verteilten es via Postwurfsendung an 90.000 Haushalte.

Die Landes-SPÖ wollte gegen den Verein und seinen Vorsitzenden eine einstweilige Verfügung erwirken, damit die Parodie nicht mehr verbreitet wird: Das Originalbild sei urheberrechtlich geschützt, daher dürften es die Abtreibungsgegner auch nicht „nach Art eines Cartoons“ verändern. Das Landesgericht Salzburg entschied zugunsten der SPÖ, das Oberlandesgericht Linz bestätigte die Entscheidung. Die Nachahmung der Abtreibungsgegner sei „keine selbstständige Neuschöpfung“, der Eingriff ins Urheberrecht auch nicht durch die freie Meinungsäußerung gerechtfertigt. Der Verein sei kein politischen Gegner der SPÖ, und Urheberinteressen dürften ohnedies nicht verletzt werden.

Besonderer Schutz für Parodie

Die Abtreibungsgegner marschierten zum Obersten Gerichtshof (OGH). Das Wort „Parodie“ heiße im Griechischen „Nebengesang“, erkannten die Richter. Das entscheidende Kriterium sei hier die inhaltliche oder künstlerische Auseinandersetzung mit bestimmten Aussagen und Eigenheiten des parodierten Werks. Und Parodien stünden unter dem besonderen Schutz der Kunstfreiheit und der Meinungsfreiheit. Gleichzeitig sei eine Parodie aber kein Freibrief: Nicht der Spaß auf Kosten anderer, sondern die eigene ernsthafte Aussage solle ermöglicht werden.

Hier aber seien die Eingriffe des Vereins in die Urheberrechte der SPÖ gerechtfertigt, meinten die Höchstrichter. Es werde der „Wahlkampfstil“ parodistisch nachgeahmt. Die Grafik weise ausreichend schöpferische Züge auf, um als individuelle Bearbeitung des Originalbilds angesehen zu werden. Die Aussage der neuen Grafik sei auch „nicht unwahr oder ehrenrührig“, befand der OGH: „Die verbale Gleichsetzung von Abtreibung mit Tötung ist eine pointiert zum Ausdruck gebrachte Kritik, deren Werturteil auf einem wahren Sachverhalt beruht.“

Im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Äußerung daher im Meinungsstreit mit einem Politiker zulässig. Der OGH wies den Antrag der SPÖ auf eine einstweilige Verfügung gegen die Abtreibungsgegner ab (4 Ob 66/10z).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2010)

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