Arbeiter als Angestellte: Neue und alte Rechte

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Eine steirische Firma ernannte alle Arbeiter zu Angestellten. Die einstigen Arbeiter sind dadurch nun sogar privilegiert: Sie kommen in den Genuss der längeren Kündigungsfristen für Angestellte.

Graz. Das österreichische Arbeitsrecht unterscheidet die Arbeitnehmerschaft seit jeher nach mehreren Kriterien. Unter anderem wird auch an der heute an sich rechtspolitisch überholten Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten festgehalten. Wer kaufmännische Dienste, sonstige höhere Dienste oder Bürotätigkeiten leistet, ist Angestellter. Alle anderen sind Arbeiter.

Da der Gesetzgeber die Rechtsstellung von Angestellten und Arbeitern in weiten Teilen Schritt für Schritt angeglichen hat, verliert diese Zuordnung zwar zunehmend an Bedeutung. Doch es gibt noch Unterschiede: Während der Arbeiter etwa seinen „Lohn“ bekommt, erhält der Angestellte sein „Gehalt“. Auch bei Kündigungsfristen, Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Unglücksfall, Entlassungs- und Austrittsgründen, bei der Belegschaftsvertretung und im Sozialversicherungsrecht spielt es immer noch eine Rolle, ob man „arbeitet“ oder „angestellt“ ist. Wenn ein Arbeiter gekündigt wird, gibt es für den Arbeitgeber etwa nur eine Frist von 14 Tagen. Bei Angestellten gilt eine Frist von mindestens sechs Wochen. Auch gelten für die verschiedenen Gruppen oft unterschiedliche Kollektivverträge.

Ein steirisches Unternehmen, die Anton Paar GmbH mit Sitz in Graz, hat nun den Arbeiterstatus unternehmensintern abgeschafft. Ihre konzernweit über 1000 Mitarbeiter wurden allesamt zu Angestellten gemacht. Möchte ein Arbeitgeber seine Belegschaft einheitlich behandeln, so ist eine Änderung der Arbeitsverträge der betroffenen Arbeiter notwendig. Dazu können individuelle Vertragsänderungen durchgeführt werden. Es ist aber auch denkbar, dass Arbeitgeber und (Arbeiter-)Betriebsrat eine „freie Betriebsvereinbarung“ schließen, wonach auch für die Arbeiter das Angestelltengesetz gilt. Diese Vereinbarung könnte dann konkludent Inhalt der Arbeitsverträge werden.

Unterschiede beim Vertrauen

Das Angestelltengesetz gilt für die Arbeiter dann aber nur, soweit es nicht schlechter ist, als die für Arbeiter zwingenden Bestimmungen in Gesetzen und Kollektivverträgen. Stellt das AngG den Arbeiter schlechter, so gilt weiterhin die gesetzliche Norm für Arbeiter. Besonders anschaulich ist dies bei den Entlassungsgründen, bei denen das Dienstverhältnis zum Mitarbeiter (im Gegensatz zur Kündigung) sofort beendet werden kann. Während das AngG die Vertrauensunwürdigkeit generell als Entlassungstatbestand ansieht, berechtigt diese laut der für Arbeiter geltenden Gewerbeordnung nur dann zur Entlassung, wenn diese auf einer Straftat beruht.

Schafft ein Unternehmen den Arbeiterstatus ab, so stellen sich aber noch weitere Fragen. Etwa, wen der Arbeiterbetriebsrat überhaupt noch vertreten kann. Geregelt ist dies im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG). Demnach zählen Arbeiter dann zur Gruppe der Angestellten, wenn die Anwendung des AngG sowie des für den Betrieb maßgeblichen Angestelltenkollektivvertrages zuzüglich einer Einstufung in eine Gehaltskategorie vereinbart wurde. Werden nicht alle der genannten Voraussetzungen erfüllt, muss beispielsweise bei einer Kündigung eines Vertragsangestellten weiterhin der Arbeiterbetriebsrat verständigt werden. Sind durch die Vereinheitlichung überhaupt keine Arbeiter im Sinne des ArbVG mehr im Betrieb, so scheint ein getrennter Betriebsrat nicht mehr sinnvoll. Ein Erlöschen der Mandate des Arbeiterbetriebsrates ist aber im Gesetz nicht vorgesehen.

Gesetzgeber soll handeln

Initiativen wie jene der steirischen Firma sind rechtspolitisch zu begrüßen. Um eine Gleichstellung juristisch einwandfrei vollziehen zu können, sind jedoch geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen im Arbeits- und Sozialrecht vonnöten. Gesetzgeber und Interessenvertretung sind gefordert, eine Lösung für Arbeiter und Angestellte zu „erarbeiten“.

Mag. Herzeg ist Universitäts- und Fachhochschullektor für Arbeits- und Sozialrecht in Graz und Vorstandsassistent bei der Treibacher Industrie AG, office@herzeg.net.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2011)

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