Werbung: Sind Deutsche klüger als Österreicher?

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Wer bei Google nach einem Produkt sucht, bekommt auch Anzeigen der Konkurrenz zu sehen. Während der OGH hier leicht eine Verwechslungsgefahr für Konsumenten ortet, zeigt sich die deutsche Judikatur viel liberaler.

Wien. Das Unternehmen Google erwirtschaftet den Großteil seines Gewinnes mit Werbung auf seiner Internetsuchmaschine. Diese Werbung (AdWords) wird neben oder oberhalb der Suchergebnisse dargestellt. Ein Werbetreiber kann bei Google AdWords einen oder mehrere Begriffe buchen, die dann zur Darstellung seiner Anzeige führen.

Obgleich diese Werbeform erst seit rund einem Jahrzehnt genutzt wird, beschäftigten sich bereits eine Unzahl von Gerichtsverfahren mit der Zulässigkeit dieser Werbeform. Speziell Markeninhabern ist es ein Dorn im Auge, wenn ein Mitbewerber deren Marke bucht, um dann bei einer Suche nach dieser Marke seine eigene Werbung darzustellen. Der Vorteil für den Mitbewerber liegt klar darin, immer dann präsent sein zu können, wenn nach einer Marke gesucht wird, und somit zum Beispiel Konsumenten preisgünstige Alternativen zu einem Markenprodukt anbieten zu können.

Transparenz vs. Markenschutz

Da es sich bei dem sogenannten Keyword Advertising um eine Internet-Werbeform handelt, sehen sich Gerichte weltweit mit der Frage der Zulässigkeit konfrontiert. So dauerte es nur wenige Jahre, bis sich auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit fünf Vorabentscheidungsverfahren nationaler Gerichte konfrontiert sah. Der EuGH bejahte 2010 die markenrechtliche Zulässigkeit der Werbeform grundsätzlich. Dies jedoch unter der Voraussetzung, dass Internetnutzer über die Herkunft der in den Anzeigen angebotenen Waren und Dienstleistungen weder getäuscht werden, noch, dass die Anzeige so vage gehalten wird, dass Nutzer über die Herkunft der Anzeige bewusst im Unklaren gelassen werden.

Die Fragen, die der EuGH als Tatfragen offenlassen musste, betreffen die Aspekte, ob Nutzer grundsätzlich davon ausgehen, dass bei Anzeigen, die im Rahmen einer Suche nach der Marke angezeigt werden, ein Zusammenhang zwischen der Marke und der Anzeige besteht. Überdies blieb ungeklärt, ob Nutzer annehmen, dass derartige Anzeigen nur mit Zustimmung des Markeninhabers angezeigt werden dürfen. Der Annahme einer solchen Zustimmung durch den Markeninhaber würde widersprechen, dass kundige Nutzer im Netz schon gelernt haben, dass sich auch im Internet kostenfreie Inhalte letztlich finanzieren müssen und dies, so wie in traditionellen Medien, über Werbung tun.

Für Werbende sind nun aber gerade jene Plätze am attraktivsten, welche von der Aufmerksamkeit anderer Inhalte profitieren können. So ist zum Beispiel in einer Zeitschrift jene Werbefläche für Autohersteller am interessantesten, die neben den Auto-Testberichten liegt. Sofern dieser Zeitschrift ein Mindestmaß an journalistischem Ethos zugrunde liegt, und daher Artikel und Anzeigen getrennt voneinander dargestellt werden, würde wohl keiner der Leser auf die Idee kommen, es bestünde ein Zusammenhang oder gar ein Einvernehmen zwischen den jeweils genannten Autoherstellern.

Deutsche rechnen mit Werbung

Die Grundfrage ist, wie viel Kompetenz die nationalen Höchstgerichte ihren „Durchschnittsnutzern“ beim Surfen im Internet zutrauen. Diese ist scheinbar eher begrenzt, wenn es nach der Ansicht des österreichischen Obersten Gerichtshofs (OGH) geht. Er vertritt in Bezug auf Keyword Advertising eine ausgesprochen restriktive Haltung. Da das Gericht davon ausgeht, dass Nutzer einen Zusammenhang zwischen dem eingegebenen Suchwort sowie daneben angezeigten Anzeigen annehmen, stellt es ausgesprochen hohe Anforderungen an Anzeigen, die nicht vom Markeninhaber stammen. Auf diese Weise soll eine Ausbeutung der Marke sowie eine Täuschung der Nutzer vermieden werden. Ganz im Gegensatz zur restriktiven Position des OGH hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (I ZR 125/07, Eis.de)zum Keyword Advertising sehr klar ausgesprochen, dass deutsche Internetnutzer zwar wohl nicht mit der Funktionsweise dieser Werbeform vertraut sind, sich jedoch durchaus der Praxis werbefinanzierter Inhalte im Netz bewusst sind.

Aus diesem Grund würden deutsche Internetnutzer auch damit rechnen, dass sich kostenfreie Angebote im Internet durch Werbung finanzieren, die natürlich nicht ausschließlich vom Markeninhaber stammt. Folglich sah das deutsche Höchstgericht in der Werbeform des Keyword Advertising weder eine Markenrechtsverletzung noch eine unlautere Geschäftspraxis.

Ob der OGH durch das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs sein Bild des durchschnittlichen Internetnutzers überdenken wird, ist fraglich. Doch zeigt die Ungleichbehandlung ein und derselben Werbeform deutlich auf, dass die Frage der Internetnutzungskompetenz auch rechtlich von großer Relevanz ist.

Höhere Preistransparenz

Wie aus einer jüngst veröffentlichten Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) hervorgeht, führt die Möglichkeit für Konsumenten, nach Waren online zu suchen und gegebenenfalls auch Alternativprodukte über das Web zu beziehen zu einer Erhöhung der Preistransparenz. Damit es hierzu kommen kann, müssen derartige Angebote jedoch zuerst rechtlich zulässig sein und hierdurch zeigt sich, wie wichtig es für ein Land ist, seine Bürger mit dem Medium Internet vertraut zu machen bzw. welche Nachteile es auch haben kann, im Internet „den Anschluss zu verlieren“.

Mag. Maximilian Schubert LL.M. (Edinburgh) ist Jurist bei ISPA – Internet Service Providers Austria– und Dissertant an der Karl-Franzens-Universität Graz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2011)

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