"Kleingeistigkeit, vor der man sich fürchtet"

Kleingeistigkeit sich fuerchtet
Kleingeistigkeit sich fuerchtet(c) APA (BARBARA GINDL)
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Die Justizsprecher der drei stärksten Parteien sagen offen, warum aus einer großen Staatsreform nichts wird. Dafür soll es Reformen bei der Schiedsgerichtsbarkeit geben - mit raschem Zugang zum Obersten Gerichtshof.

Wien. Während sich Regierungsvertreter gern in Floskeln flüchten, können die Fachexperten der Parteien für Rechtsthemen viel offener reden. Das zeigte sich vergangene Woche bei einer Debatte der Justizsprecher von SPÖ, ÖVP und FPÖ anlässlich der ARS-Rechtsgala in Wien.

Die Offenheit zeigte freilich schonungslos den Reformstau auf, etwa beim Thema Staatsreform. „Es ist von unserer Bundesverfassung her schwierig, wesentliche Veränderungen herbeizuführen“, betonte ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer. „Ich weiß auch nicht, warum wir nicht weiterkommen“, meinte sein SPÖ-Pendant Hannes Jarolim. Er beobachte „eine Kleingeistigkeit, bei der man sich fürchtet“. Es sei nicht verständlich, warum man beim Bau- oder beim Tierschutzrecht in jedem Bundesland unterschiedliche Regelungen brauche. „Österreich ist so groß wie Bayern, und wir leisten uns schon sehr viel“, sagte der SPÖ-Mandatar. Donnerbauer hingegen erklärte, es führe „nicht weiter“, wenn man die Gesetzgebungskompetenzen umwerfen wolle. Schließlich könne man genauso argumentieren, dass die Länder ihre Rechte behalten sollen. Auch FPÖ-Mandatar Peter Fichtenbauer sagte, das Gerede von einer großen Bundesstaatsreform sei „Träumerei“; Fichtenbauer verwies auf ein Gespräch mit dem ehemaligen ÖVP-Nationalratspräsidenten Andreas Khol: „Der Khol springt einem ja ins Gesicht, wenn man sagt, das Baurecht soll in Tirol gleich wie im Burgenland sein.“ Was die Einführung der neuen Verwaltungsgerichte betraf, versprachen die Vertreter der Regierungsparteien aber eine baldige Umsetzung.

Auch beim Mietrecht steht die Regierung still. Wichtige Fragen, etwa, wer für Reparaturen an der Therme aufkommen muss, müssen von der Judikatur entschieden werden, weil sich der Gesetzgeber vor Antworten drückt. „Da haben Sie einen wunden Punkt erwischt. Das ist ein Punkt, bei dem die Koalitionsparteien einen sehr unterschiedlichen Zugang haben“, sagte Donnerbauer, als er auf das Thema angesprochen wurde. Er betonte, eine Deregulierung des Mietrechts zu befürworten, die SPÖ verfolge aber andere Ansätze. Jarolim erwiderte, es sei schon klar, dass die bloße Zahlung des Friedenszinses heute niemanden in die Lage versetze, ein Haus zu erhalten. Man müsse aber beim Kündigungsschutz für Mieter schon sehr aufpassen. „Die Diskussion beim Mietrechtsgesetz ist eine sehr aufgeladene. Es gibt ein Unvermögen, etwas loszulassen“, konstatierte Jarolim.

FPÖ: Heinisch-Hosek agiert wie ein „Huhn“

Reformbedarf sieht Jarolim aber auch im Scheidungsrecht, hier will er die Verschuldensscheidung hinterfragen: „Denn bei einer strittigen Scheidung wird noch das letzte Porzellan zerschlagen.“ Wie Donnerbauer verlieh Jarolim seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Reform des Sorgerechts bald auf Schiene komme. FPÖ-Mann Fichtenbauer zeigte sich verärgert, dass Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) bis dato die Einführung der grundsätzlichen gemeinsamen Obsorge nach der Scheidung verhindert hatte. „Kein Wunder, dass das natürlich auch sofort feministisches Kampffeld wird. Und Heinisch-Hosek ist aufgefahren wie ein durch die Glut getriebenes Huhn und hat gesagt, sie wird das nie zulassen“, erklärte Fichtenbauer. Nachsatz: „Aber sonst schätze ich die Dame aufs Äußerste.“

Und doch ergab die Diskussion, dass Reformen vor der Tür stehen. So berichtete Jarolim über eine geplante Neuerung bei der Schiedsgerichtsbarkeit, die zwischen Unternehmen gern zur Streitlösung vereinbart wird. Wenn es zu Streitigkeiten über das Schiedsgericht kommt, soll man sich künftig sofort an den Obersten Gerichtshof (OGH) wenden können. Bisher musste man sich zuvor mühsam durch die Instanzen zum OGH vorkämpfen. SPÖ und ÖVP wollen, dass die Novelle noch heuer beschlossen wird. Dem Vernehmen nach soll auch OGH-Präsidentin Irmgard Griss, die zu Jahresende in Pension geht, für die Reform sein.

GmbH-Reform im nächsten Jahr

„Bitte warten“, heißt es hingegen bei der GmbH-Reform, die von den Regierungsparteien nun für nächstes Jahr angepeilt wird. Oppositionspolitiker Fichtenbauer sprach sich für eine deutliche Reform aus: Er will das Stammkapital abschaffen und stattdessen eine Pflichtversicherung für GmbHs einführen. Bei der Versicherung solle man bei der GmbH-Gründung zum Beispiel 15.000 Euro einzahlen, die im Fall der Insolvenz für die Konkurseröffnung verwendet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2011)

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