Squeeze-out: Kleinanleger genug geschützt

Squeezeout Kleinanleger genug geschuetzt
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Ausgeschlossene Aktionäre haben genug Möglichkeiten, ihre Abfindung überprüfen zu lassen. Zahlreiche in Österreich vorgesehene inhaltliche und verfahrensrechtliche Mechanismen schützen den Kleinanleger.

Wien. In den letzten Jahren fanden auch in Österreich bei börsenotierten Unternehmen gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen statt, die vermehrt zu Rechtsstreitigkeiten geführt haben. Die Gesellschafterausschlüsse (Squeeze-outs) bei Bank Austria, Böhler-Uddeholm, AUA und Constantia Packaging sind bekannte Beispiele. Vertreter ausgeschlossener Aktionäre monieren häufig, dass die Gesellschafterausschlüsse Kleinanleger verfahrensrechtlich und inhaltlich benachteiligen würden (siehe Wolfgang Leitner, „Kleinanleger werden ausgequetscht“, Rechtspanorama vom 7.November). Eine sachliche Analyse zeigt jedoch, dass das Gegenteil der Fall und der Rechtsschutz für den betroffenen Anleger ausgeprägt und effektiv ist.

Gesamtwirtschaftlich erwünscht

Die Möglichkeit, Minderheitsaktionäre unter bestimmten Voraussetzungen auszuschließen, ist, auch wenn es Minderheitsaktionäre gern so darstellen, per se nichts Negatives, sondern aus systematischen, nämlich wirtschaftlichen, Gesamtinteressen erwünscht und daher von zahlreichen Rechtsordnungen erlaubt. In der EU besteht sogar eine ausdrückliche Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers, nach einer Übernahme die Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses vorzusehen, wenn ein Hauptaktionär eine bestimmte Mehrheit (zumindest 90%) hält.

Die Möglichkeit einer Enteignung ist auch anderen Bereichen als dem Gesellschaftsrecht nicht fremd (z.B. Eisenbahnbau). Selbstverständlich ist dabei sicherzustellen, dass es zu einer entsprechenden Entschädigung kommt, also die betroffenen Minderheitsaktionäre eine angemessene Barabfindung erhalten. Sie sollen dabei nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn sie Aktionäre geblieben wären.

Zahlreiche in Österreich vorgesehene inhaltliche und verfahrensrechtliche Mechanismen schützen den Kleinanleger. Zur Vorbereitung eines Squeeze-out ist ein Bericht zu erstellen, der sämtlichen Aktionären zumindest einen Monat vor der Hauptversammlung gemeinsam mit allfälligen Bewertungsgutachten, die zu diesem Zweck erstellt wurden, zur Verfügung steht. Die Höhe der angemessenen Barabfindung wird unter gemeinschaftlicher Verantwortung der Organe der Gesellschaft gemeinsam mit dem Hauptaktionär festgelegt. Zudem hat ein vom Gericht bestellter – und daher neutraler – sachverständiger Prüfer die Angemessenheit der Barabfindung zu prüfen und ausdrücklich zu bestätigen.

Zu Unrecht kritisiert Leitner, dass der vom Gericht zu bestellende Prüfer aus einem Dreiervorschlag ausgewählt wird, den die Gesellschaft unterbreitet. Nicht nur, dass die Erstattung von Vorschlägen auch in anderen Verfahrensbereichen üblich und das Firmenbuchgericht bei der Bestellung des sachverständigen Prüfers vor allem an solche Vorschläge nicht gebunden ist. Es würde zudem bedeuten, die Unabhängigkeit und den Sachverstand von Gerichten in Zweifel zu ziehen, wenn diese nicht aufgrund von Vorschlägen und eingeholten Unterlagen, wie Unabhängigkeitserklärungen, verantwortlich und sachgerecht einen Sachverständigen auswählen können sollten; die Kosten des unabhängigen Prüfers muss der Hauptaktionär tragen.

Prüfung der Angemessenheit

Der Hauptgesellschafter hat die Bezahlung der gesamten Barabfindung durch Hinterlegung einer Sicherheit bei einem neutralen Treuhänder sicherzustellen. Ist der Squeeze-out in das Firmenbuch eingetragen, können alle ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre ein eigenes Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung einleiten, und zwar ohne jedes Risiko: Der Hauptaktionär muss sämtliche Verfahrenskosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens tragen. Dies mag der Grund sein, warum zahlreiche Antragsteller, mitunter auch Vertreter von Aktivistengruppen aus dem Ausland, von dieser Möglichkeit intensiv Gebrauch machen.

Expertengremium neben Gericht

Neben dem gerichtlichen Rechtsschutz sorgt in der Praxis ein aus Fachleuten zusammengesetztes Gremium für die Durchführung eines professionellen und fairen Verfahrens, in dem Fragen der Unternehmensbewertung auf hohem fachlichen Niveau diskutiert und entschieden werden. Dabei bedient sich das Gremium eines weiteren, von ihm selbst ausgewählten unabhängigen Sachverständigen für Unternehmensbewertung. Auch dessen Kosten hat der Hauptaktionär unabhängig vom Verfahrensergebnis zu tragen.

Wirtschaftlich unsichere Zeiten oder gar Krisen belegen augenscheinlich, wie schwierig es ist, den Wert eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag, nämlich dem Tag der Hauptversammlung, die über den Gesellschafterausschluss beschließt, zu bestimmen. Es gibt keinen einzig richtigen, allgemein gültigen Unternehmenswert. Auch deshalb gibt es keine zwingenden Regeln. Genau aus diesem Grund sieht das Gesellschafterausschlussgesetz auch vor, dass die Barabfindung „angemessen“ zu sein hat.

Die Beurteilung der Angemessenheit führt zu Unsicherheiten, die in der Praxis zumeist zulasten des Hauptaktionärs ausgelegt wird, der den Squeeze-out herbeiführen will. Keineswegs kann bei Bewertung „jeder beliebige Unternehmenswert hinauf- oder hinuntergerechnet“ werden, wie Leitner dies behauptet. Wenn überhaupt, träfe diese Aussage nur auf die Discounted-Cash-Flow-Methode zu. Jede gute Unternehmensbewertung berücksichtigt aber auch objektivierbare Kriterien wie den Wert von vergleichbaren Unternehmen oder eine Bewertung anhand von Multiples. Der Börsenkurs kann nur dann aussagekräftig sein, wenn die entsprechende Aktie auch ausreichend gehandelt wurde und unbeeinflusst von Marktverzerrungen war.

Vor dem Hintergrund dieses ausgeprägten Rechtsschutzes der Minderheitsaktionäre verwundert es nicht, dass manche Investoren sich bewusst in Gesellschaften einkaufen, bei denen Strukturmaßnahmen, wie Verschmelzungen, Sacheinlagen oder Gesellschafterausschlüsse, bevorstehen, um dann die nicht zu ihrem Schutz geschaffenen rechtlichen Mechanismen zu ge- oder missbrauchen und zu ihrem Vorteil zu verwerten. Solchen unerwünschten Phänomenen sollte die österreichische Praxis Einhalt gebieten. In Deutschland haben Gerichte bereits festgestellt, dass „räuberische Aktionäre“ den für gutgläubige Minderheitsaktionäre geschaffenen Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen können.

Dr. Zottl und Dr. Kustor sind Partner bei Freshfields in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2011)

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