Internet: Raubkopierer keine "Verbrecher"

Urheberrecht. Der private Download von Dateien aus dem Internet ist nicht verboten. Ein Vergehen begeht aber, wer sie auch weitergibt.

WIEN. Der Verband der österreichischen Musikindustrie ließ zuletzt mit positiven Meldungen aufhorchen: der Musikkonsum über Online-Tauschbörsen sei im ersten Quartal 2005 um 26 Prozent zurückgegangen, im Gegenzug verzeichneten die "legalen" Angebote zum Musikerwerb erhebliche Zuwächse ("Die Presse" vom 7. Juni).

Ob diese Trendwende an der aggressiven Aufklärungsstrategie der Musikindustrie liegt ("Raubkopierer sind Verbrecher") oder am Umstand, dass die Musikindustrie den Usern nun endlich auch legale Alternativen eröffnet hat, sei dahingestellt. Denn während sich der Musikmarkt abseits der juristischen Rahmenbedingungen ordnet und neu orientiert, ist die Rechtslage in Österreich, was den Download von urheberrechtlich geschützten Werken aus dem Internet angeht, unklar und umstritten.

Seit der Umsetzung der sogenannten Info-Richtlinie (20001/21/29/EG) in Österreich und der Einführung des Zurverfügungstellungsrechts in ¶ 18a Urheberrechtsgesetz ist jedenfalls unmissverständlich klargestellt, dass es dem Urheber (oder sonst Werknutzungsberechtigten) vorbehalten ist, das Werk ins Netz zu stellen. Nicht geregelt ist damit aber der sogenannte Download von Dateien: Ein solcher Download stellt für sich schon eine Vervielfältigung dar und ist daher nur zulässig, sofern das Vervielfältigungsrecht vom Urheber eingeräumt wurde. Private Nutzer können sich hier aber auf das Recht zur privaten Vervielfältigung und ¶ 42 Abs. 4 Urheberrechtsgesetz stützen: Danach darf jede natürliche Person von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke ausschließlich zum privaten Gebrauch herstellen, sofern dies weder für unmittelbare noch mittelbare kommerzielle Zwecke geschieht. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist es aber gleichgültig, wo die kopierte Vorlage herrührt, es sich also beispielsweise um eine Raubkopie handelt oder das Werk rechtswidrig ins Netz gestellt wurde (wie das bei Tauschbörsen typischerweise der Fall ist).

Zur Klarstellung: Beim echten File-sharing, also wenn zugleich Dateien zur Verfügung gestellt werden, kann sich der User keinesfalls auf das Recht zur privaten Vervielfältigung berufen, da er das Zurverfügungstellungsrecht des Urhebers verletzt. Er riskiert dann nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen (übrigens ein Vergehen im Sinne des Strafgesetzbuches und kein Verbrechen). Das Downloaden von nicht legalen Vorlagen ist hingegen straffrei.

Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft (Ifpi) hat zuletzt beim Wiener Rechtsanwalt Alfred J. Noll ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis - wenig überraschend - ist, die private Vervielfältigung sei ausschließlich von rechtmäßig hergestellten Vorlagen zulässig. Noll bemüht hierzu eine "systematisch-historische und an den maßgeblichen Wertungen des Urheberrechts" orientierte Interpretation, die Eigentumsgarantie und die Kunstfreiheit wie auch den sogenannten Drei-Stufen-Test der Info-Richtlinie. Und trotzdem gilt: Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich diese Rechtsansicht jedenfalls nicht ablesen.

m Ergebnis ist sie für offensichtlich nicht vom Berechtigten ins Netz gestellte Vorlagen (wie eben auch bei Tauschbörsen) sicherlich sachgerecht, da hier der Nutzer jedenfalls nicht gutgläubig ist. Anders ist die Sachlage aber, wenn der User im guten Glauben davon ausgegangen und ausgehen durfte, dass ein Werk rechtmäßig ins Netz gestellt wurde und er es zu privaten Zwecke herunterlädt (was täglich sicherlich tausendfach geschieht).

Das zwingende Erfordernis der rechtmäßig hergestellten Vorlage hätte zur Folge, dass über jeden Download eines urheberrechtlich geschützten Inhalts das Damoklesschwert hinge, dass das Werk eventuell doch unberechtigterweise veröffentlicht wurde. Der Urheber könnte dann mit Unterlassungs- und Entgeltansprüchen gegen einzelne Nutzer vorgehen. Dieses Ergebnis ist mit der virtuellen Wirklichkeit kaum in Einklang zu bringen.

Auch die Justizsprecher der ÖVP und SPÖ haben hier zuletzt in einer TV-Sendung zumindest die Rechtsunsicherheit erkannt und Handlungsbedarf gesehen. Ob das allerdings auch zu einer Novelle führen wird, ist fraglich, denn die Mitarbeiter im Justizministerium sind bisher offenbar nicht beauftragt, sich mit dem dort durchaus bekannten Problem auseinander zu setzen. Vorbild könnte die Regelung in Deutschland sein: Im deutschen Urheberrechtsgesetz hat man im Zuge der Umsetzung der Info-Richtlinie klargestellt, dass es Bedingung für die Zulässigkeit einer privaten Vervielfältigung ist, dass die Vorlage nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde.

Dr. Harald Karl ist Rechtsanwaltsanwärter in Wien.
haraldkarl@haraldkarl.com


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