Speditionskartell: Jetzt drohen doch Strafen

Spediteuren drohen Strafen
Spediteuren drohen StrafenClemens Fabry
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EU-Gerichtshof schließt Straffreiheit wegen Vertrauens auf anwaltlichen Rat und nationale Behörde aus.

Knapp 20 Jahre nach seiner Erfindung droht dem österreichischen Speditionskartell nun eine Bestrafung. In einem heute veröffentlichten Urteil (C-681/11) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) festgehalten, dass Kartellteilnehmer sich nicht bloß deshalb einer Sanktion entziehen können, weil sie dem Rat einer spezialisierten Anwaltskanzlei gefolgt sind oder auf eine Entscheidung einer nationalen Behörde vertraut haben. In diesem Fall hatte die Behörde bloß das österreichische, nicht aber auch das europäische Kartellrecht angewendet.

Gericht sah bloß "Bagatellkartell"

Rund 30 Speditionen gehörten der österreichischen Spediteurs-Sammelladungs-Konferenz (SSK) an. Diese war 1994 mit dem angeblichen Zweck gegründet worden, den Verladern und den Endverbrauchern günstigere Konditionen zu verschaffen. Dies, obwohl Preisabsprachen üblicherweise nicht preissenkende, sondern verteuernde Wirkung haben. 1996 entschied das Oberlandesgericht als Kartellgericht, dass die SSK als „Bagatellkartell“ nach österreichischem Recht zulässig sei. Auch eine auf Kartellrecht spezialisierte Anwaltskanzlei, die mit einer Prüfung das Falles betraut worden war, sah in den Absprachen kein verbotenes Kartell.

Bundeswettbewerbsbehörde ermittelte

Jahre später beurteilte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) den Fall freilich anders. Sie ermittelte und überwies Anfang 2010 dem Kartellgericht 36.000 Aktenseiten, mit dem Antrag, die Angelegenheit nochmals zu prüfen und einen Kartellrechtsverstoß festzustellen. Mittlerweile lagen Kronzeugenantrag der Schenker & Co. AG und sechs Geständnisse weiterer Spediteure vor. Weil das Kartellgericht unter Verweis auf die alte Entscheidung trotzdem das Verfahren einstellen wollte, wandte sich die BWB an den Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht, der seinerseits den EuGH in Luxemburg zur Vorabentscheidung anrief.

"Kein berechtigtes Vertrauen"

Und dieser sagt jetzt, ganz im Sinne der Auffassung der BWB: Der Rat einer hochspezialisierten Anwaltskanzlei  schützt nicht automatisch vor Strafe: „Der Rechtsrat eines Anwalts kann bei einem Unternehmen mithin auf keinen Fall ein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, dass sein Verhalten nicht gegen das Wettbewerbsrecht der Union verstößt oder nicht zur Verhängung einer Geldbuße führt“, so der EuGH. Ebenso wenig könne ein strafbefreiender Verbotsirrtum vorliegen, wenn eine nationale Behörde allein auf Basis des nationalen Rechts eine Absprache billigt: „Da die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht befugt sind, eine Entscheidung zu erlassen, mit der das Fehlen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht festgestellt wird, können sie bei Unternehmen kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, dass ihr Verhalten nicht gegen die Wettbewerbsregeln verstößt.“

Bloße Feststellung gegen Kronzeugen möglich

Die zweite Frage des OGH war, ob die Wettbewerbsbehörden Verstöße gegen das Kartellrecht auch bloß feststellen können, ohne eine Geldbuße festzusetzen – etwa weil ein Unternehmen als Kronzeuge aufgetreten ist. Der EuGH bejahte: In Ausnahmefällen – zum Beispiel weil die Zusammenarbeit eines Unternehmens für die Aufdeckung und wirksame Ahndung des Kartells von entscheidender Bedeutung war – können sich die nationalen Behörden darauf beschränken, eine Zuwiderhandlung bloß festzustellen. Das kann für etwaige Schadenersatzprozesse oder im Wiederholungsfall von Bedeutung sein. Was eine Geldbuße betrifft, ist die Schenker & Co. AG jedenfalls aus dem Schneider:  Gegen sie als Kronzeugen haben die Behörden gar keine Geldbuße beantragt, sondern nur eine Feststellung.

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