EU-Patent: „Wir brauchen eine lokale Kammer!“

 Lothar Wiltschek, EU, Patent, Österreich
Lothar Wiltschek, EU, Patent, Österreich (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Als erstes und bisher einziges Land hat Österreich das Patentgerichtsübereinkommen ratifiziert. Wo Verfahren in erster Instanz künftig geführt werden können, ist derzeit völlig unklar.

Wien. Wir waren die Ersten und sind bisher die Einzigen geblieben: Österreich hat das Übereinkommen über ein europäisches einheitliches Patentgericht schon am 8.August 2013 ratifiziert und damit eine „Pionierrolle übernommen“, wie das Außenministerium damals stolz verkündete. Noch kein anderer Mitgliedstaat der EU hat es uns bisher gleichgetan.

Für Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt und Spezialist in Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes, bleibt es ein Rätsel, weshalb Österreich in dieser Angelegenheit Musterschüler spielen wollte: „Wir hatten es unglaublich eilig, ein Übereinkommen zu ratifizieren, ohne überhaupt zu wissen, welche Kosten auf uns zukommen werden. Es gibt nämlich noch keine Verfahrensordnung. Alle Gebührenfragen sind derzeit offen.“

In einer anderen Sache hätten sich Wiltschek und seine Kollegen ähnlich großen Eifer gewünscht. Offen ist nämlich immer noch die Frage, ob Österreich im Rahmen des einheitlichen Patentgerichts eine lokale Kammer erhält. Ist das der Fall, können Verfahren über Gemeinschaftspatente in erster Instanz auch künftig in Österreich geführt werden. Entscheidet sich Österreich gegen die Einrichtung einer lokalen Kammer, werden Rechtsschutzsuchende und ihre Patent- und Rechtsanwälte jedenfalls einen Gerichtsstandort im Ausland aufsuchen müssen. Aus heutiger Sicht die wahrscheinlichste Lösung. Bei den Verhandlungen über die Einrichtung eines einheitlichen europäischen Patentgerichts vertrat Österreich – zur Überraschung vieler – den Standpunkt, dass man auf eine lokale Kammer verzichten werde. Die Begründung: Es gebe in Österreich zu wenige Patentverfahren, überdies seien die österreichischen Richter in Patentfragen überfordert. Und über die Kostentragung könnten sich die zuständigen Ministerien auch nicht einigen. Die Alternative zu einer lokalen wäre eine regionale Kammer. Das heißt, organisatorisch ist eine Kammer gleich für mehrere Länder zuständig. Für diese Variante optieren etwa Schweden, Finnland, Dänemark und die baltischen Staaten. Auch Griechenland, Zypern, Bulgarien und Rumänien wollen sich zusammentun. Insgesamt wird es nach aktuellem Stand vier regionale Kammern geben.

Nur Österreich lässt sich Zeit

Jedenfalls laufen die Vorbereitungen in allen Mitgliedstaaten diesbezüglich auf Hochtouren. Nur in Österreich lässt man sich zum Unmut vieler Zeit: „Will man sich wirklich mit anderen Staaten zu einer regionalen Kammer zusammenschließen, müssen sich alle Beteiligten über ihren Sitz und vieles andere einigen. Das braucht Zeit“, sagt Christian Gassauer-Fleissner, Rechtsanwalt und Präsident der European Patent Lawyers Association. „Es ist blauäugig, realitätsfern und bezeichnend für den Grad des Desinteresses, wenn Österreich glaubt, in solche Diskussionen erst am Ende eintreten zu können. Dann werden die Züge bereits abgefahren sein.“ Die Aufregung kann man im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) nicht verstehen: „Insgesamt müssen 13 Länder ratifizieren, damit das Übereinkommen in Kraft tritt. Im Lauf dieses Jahres haben wir ausreichend Zeit, alle Für und Wider zu evaluieren“, sagt Sektionschef Christian Weissenburger.

In Erwägung ziehe man, sich mit Deutschland zusammenzuschließen. Allerdings: „Deutschland denkt nicht über eine regionale Kammer mit Österreich nach, zumal es selbst vier Lokalkammern gründen will“, sagt Gassauer-Fleissner. Auch eine Kooperation mit Slowenien dürfte im Raum stehen. Für Wiltschek keine attraktive Vorstellung: „Möchten Sie Ihre Prozesse in Slowenien führen? Aus Erfahrung weiß ich, dass die slowenische Richterschaft weit geringere Erfahrung in Patentverfahren hat als die österreichische.“

Und was passiert, wenn bis zum Inkrafttreten weiterhin nichts passiert? „Dann fallen die Verfahren in das Ressort der Zentralkammer“, sagt Friedrich Rödler, Präsident des österreichischen Patentamts. Deren Sitz ist Paris mit Außenstellen in London (für Life Science und Chemie) und München (Mechanik). Alle Beteiligten kommt diese Variante eines Verfahrens natürlich schon wegen der Reise- und Hotelkosten sehr teuer. Ein weiterer Nachteil ist auch, dass Verfahren vor der Zentralkammer häufig nicht auf Deutsch geführt werden. „Ich habe mich daher immer für eine lokale Kammer ausgesprochen“, so Rödler. Ganz im Sinne der heimischen Wirtschaft. An die wird offenbar zu wenig gedacht. Wiltschek: „Österreich gibt vor, Forschung und Entwicklung zu fördern. Lesen innovative Unternehmen das Regierungsprogramm, werden sie keinen Grund für Optimismus haben.“

DAS EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFTSPATENT

Im Dezember 2012 gaben die EU-Staaten nach jahrelangen Verhandlungen endlich grünes Licht für das europäische Gemeinschaftspatent. Künftig können Unternehmen und Privatpersonen mit einem einzigen Antrag beim Europäischen Patentamt in München ihre Erfindung in 25 der 27 Mitgliedstaaten schützen lassen (nur Italien und Spanien wollen vorerst nicht mitmachen). Forscher, Erfinder, Universitäten und Unternehmen sollen aufgrund des einheitlichen Patentsystems viel Geld sparen. Während die Kosten für den Schutz eines Patentes in allen 27 Mitgliedstaaten bisher bei etwa 35.000 Euro lagen, sollen sie für die Registrierung für ein einheitliches Patent ab Inkrafttreten des Übereinkommens nur mehr 5000 Euro betragen.

Im Februar 2013 wurde das Übereinkommen zum einheitlichen Patentgericht unterzeichnet. Es soll eine erste und eine Berufungsinstanz geben. Manche Länder haben sich entschlossen, eine lokale Kammer einzurichten. Die Alternative dazu ist eine regionale Kammer, die gleich für mehrere Staaten zuständig ist. Österreich hat bis dato noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob es eine eigene Kammer bildet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2014)

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