GmbH-Geschäftsführung: Wegschauen gilt nicht

Frotz
Frotz(c) Clemens Fabry
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Kann sich ein GmbH-Geschäftsführer der Verantwortung entziehen, indem er sich auf die Geschäftsverteilung beruft? „Nein“, sagt der Gesellschaftsrechtsexperte Stephan Frotz.

Die Presse: Die Finanzmisere des Burgtheaters wirft viele rechtliche Fragen auf. Direktor Matthias Hartmann beruft sich, wenn es um die Frage der Verantwortung dafür geht, auf die Geschäftsaufteilung. Er habe mit seiner Unterschrift die künstlerische Verantwortung übernommen, nicht die kaufmännische.

Stephan Frotz: Wir sprechen hier von der Burgtheater GmbH. Deren Struktur ist durch das Bundestheaterorganisationsgesetz (BthOG) festgelegt. Soweit dieses Gesetz keine Spezialregelungen enthält, ist das GmbH-Gesetz anwendbar. Das BthOG sieht für die Burgtheater GmbH zwei Geschäftsführer vor, einen für künstlerische, einen für kaufmännische Angelegenheiten. Es gibt also eine Geschäftsverteilung. Wichtig ist weiters: Besteht in den Angelegenheiten, die von kaufmännischer und künstlerischer Leitung gemeinsam zu besorgen sind, kein Einvernehmen, dann gibt laut §12 Abs5 BthOG die Stimme des künstlerischen Geschäftsführers den Ausschlag. Er hat also ein gesetzliches Dirimierungsrecht.

Das heißt, im Verhältnis zu der kaufmännischen Geschäftsführung hat er die stärkere Position?

Ja, das ist so.

Welche Bereiche müssen die Geschäftsführer gemeinsam besorgen?

Die Antwort ist ziemlich eindeutig: Es sind jedenfalls alle Kernaufgaben, die die Geschäftsführung zu erledigen hat. Dazu gehören etwa die Erstellung des Jahresabschlusses, die Einrichtung des Rechnungswesens, die Aufsetzung und laufende Überwachung eines internen Kontrollsystems (IKS) und die Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft. Letzteres auch vor dem Hintergrund, dass ja jeder einzelne Geschäftsführer verpflichtet ist, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.

Eine Geschäftsverteilung und auch die Geschäftsordnung kann keinen der Geschäftsführer von den genannten Kernbereichen entbinden?

Nein, denn sie sind das Herzstück des Unternehmens. Die Buchführung etwa kann ich zwar einem kaufmännischen Geschäftsführer zuordnen, dann aber, so sagt die herrschende Meinung zu Recht, treffen den anderen Geschäftsführer eine erhöhte Überwachungsverpflichtung und ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab. Werden Aufgaben, die in den Kernbereich fallen, einem der Geschäftsführer durch eine Geschäftsverteilung zugeteilt, dann muss sich der andere intensiv darum kümmern, dass dort auch wirklich alles in Ordnung ist. Die Aufstellung des Jahresabschlusses und die Einrichtung eines funktionsfähigen IKS sind Aufgaben, die die Geschäftsführer der Burgtheater GmbH trotz der Ressortverteilung zwingend gemeinsam zu besorgen haben. Es handelt sich also um Bereiche, in denen das Dirimierungsrecht des künstlerischen Geschäftsführers zum Tragen kommt. Dieses Recht intensiviert den Sorgfaltsmaßstab des künstlerischen Geschäftsführers.

Was aber ist zu tun, wenn ein Geschäftsführer durchaus am Aufbau eines IKS interessiert ist, aber von dem anderen ständig abgeschottet wird?

Dann hat er darüber jedenfalls den Aufsichtsrat zu informieren und auch den oder die Gesellschafter. Und er sollte selbst in die Sache hineingehen und sich dazu mit dem Abschlussprüfer zusammensetzen.

Welche Verpflichtung trifft den Aufsichtsrat in so einem Fall?

Eine der wesentlichen Aufgaben des Aufsichtsrates ist es, den Rechnungslegungsprozess, Einrichtung und Wirksamkeit des IKS und gegebenenfalls des internen Revisionssystems und des Risikomanagements zu überwachen. Hat die Gesellschaft keinen Prüfungsausschuss einzurichten, dann ist diese Kontrolle Sache des Gesamtaufsichtsrates.

Darf sich der Aufsichtsrat auf einen Jahresabschluss mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk verlassen?

Grundsätzlich ja, wenn im Prüfbericht des Abschlussprüfers keine Ungereimtheiten vorkommen, der Bericht also in sich schlüssig ist. Der Aufsichtsrat hat jedoch die Gebarung des Unternehmens, also die Sparsamkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung zu überprüfen. Bei der Burgtheater GmbH erleichtert ihm dies das BthOG. Das Gesetz sieht vor, dass der Abschlussprüfer im Rahmen seiner Prüfung alle zwei Jahre dazu einen Bericht abzugeben hat. Für die Jahre, für die kein derartiger Bericht erfolgt, ist es Sache des Aufsichtsrates, sich von der ordentlichen Gebarung der Geschäftsführung zu überzeugen.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat sorgfaltswidriges Verhalten für die Geschäftsführer?

Schadenersatz, wenn zumindest Fahrlässigkeit des Geschäftsführers vorliegt. Jeder schuldhaft handelnde Geschäftsführer hat der Gesellschaft jeweils den gesamten aus seinem Fehlverhalten entstandenen Schaden zu ersetzen. Im Innenverhältnis zwischen den Geschäftsführern ist der Schaden nach Maßgabe des Verschuldensgrades aufzuteilen. Vorsatz ist also insoweit „teurer“ als Fahrlässigkeit. Zusätzlich wäre der Geschäftsführer im Regelfall abzuberufen, und zwar aus wichtigem Grunde.

ZUR PERSON

Interview Ostermayer: Seite23Rechtsanwalt Stephan Frotz ist Partner der Wirtschaftskanzlei Frotz Riedl Rechtsanwälte. Zuvor war er jahrelang bei der Kanzlei Schönherr Partner. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Bereich Gesellschaftsrecht einschließlich Umgründungen, Allgemeines Unternehmensrecht und M&A.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2014)

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