Gesellschaftsrecht: Der Aufsichtsrat als Sparringspartner

Um die Rolle des Aufsichtsrats abseits der Kontrollfunktion ging es in einer Podiumsdiskussion.

Wien. Es grenzte fast an ein Wunder: Bei der Diskussion um die Rolle von Aufsichtsräten, die am Mittwochmorgen in der Bel Etage der Anwaltskanzlei CHSH stattfand, fiel das Wort Burgtheater kein einziges Mal. In letzter Zeit muss ja meist diese Causa bei solchen Themen als Beispiel herhalten. Die Diskutanten konnten darauf jedoch getrost verzichten, sie hatten genug Exempel aus eigener Erfahrung parat.

In dieser Gesprächsrunde sollte es auch gar nicht so sehr darum gehen, wer denn am Ende haftet, wenn etwas schiefgeht. Sondern um den Nutzen, den Aufsichtsräte in Unternehmen stiften können, wenn sie ihre Rolle so wahrnehmen, wie sie sollten.

Josef Fritz, Chef von Board Search, der die Diskussion moderierte, brachte ein Beispiel: Ein Haushaltsgerätekonzern habe durch konstruktive Vorschläge eines neuen Aufsichtsratsmitglieds ein Produkt so verbessern können, dass es zur Cashcow wurde. Und ja, das Klischee passt, dieses Aufsichtsratsmitglied war das erste weibliche in der Unternehmensgeschichte.

Abseits des Klischees führt das zum Thema Diversität – und damit zur Auswahl der Aufsichtsräte. Da sei die Hauptversammlung gefordert, sagte Edith Hlawati, Rechtsanwältin und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der österreichischen Post. Diversität wird vom Aktiengesetz vorgeschrieben, im Hinblick auf Geschlecht und Altersstruktur, bei börsenotierten Gesellschaften auch hinsichtlich der Internationalität. Die Praxis sieht aber oft anders aus – besonders beim Gros der Aufsichtsräte, die im nicht börsenotierten Bereich tätig sind. In Familienunternehmen und Stiftungen werde dieses Thema meist schlicht übergangen, sagte Rechtsanwalt Benedikt Spiegelfeld.

Oft nicht unabhängig

Auch was die viel diskutierte Unabhängigkeit des Aufsichtsrats betrifft, gehen die Uhren dort anders: In Familienbetrieben stelle sich die Frage meist nicht, sagte Spiegelfeld. Der Eigentümerwille sei dort stark – und Aufsichtsräte nicht unabhängig. Nun geht es dabei ja nicht primär um Unabhängigkeit von den Eigentümern, sondern um jene von der Geschäftsleitung. Denn diese soll der Aufsichtsrat ja kontrollieren. Bei Familienbetrieben sitzen aber die Anteilseigner oft auch im Management, womit sich der Kreis schließt.

Einig waren sich die Diskutanten, dass Befangenheit von Aufsichtsratsmitgliedern oft Probleme schafft – und dass es schwer ist, sie wirklich zu vermeiden. Kein Aufsichtsrat sei frei von Interessenkonflikten, sagte Hlawati.

Aufsichtsräte sollen aber auch „Ratgeber und Sparringspartner“ für die Geschäftsleitung sein, für die Sicht von außen und den „Blick nach vorne“ sorgen. „Dass man die Geschäftsführung zwingt, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen“, mache an dieser Aufgabe Spaß, meinte Spiegelfeld dazu. Friedrich Rödler, Aufsichtsratsvorsitzender der Erste Group, bezeichnete das Aufsichtsgremium gar als „Disziplinierungsinstrument, damit der Vorstand sich mehr mit Strategie befasst“.

Und in einer Krise? „Da sollte man die Feuerwehrfunktion übernehmen, mit im Boot bleiben und sich vor Haftungen nicht fürchten“, sagte Spiegelfeld. Mit dem Vorstand im Boot bleiben könne man nicht immer, relativierte Hlawati: „Es kann sein, dass sich der Aufsichtsrat dann gegen den Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder stellen muss.“ Das sei schwierig. „Und es geht nicht immer gut aus.“ Aber das wissen wir ja. Aus Fällen, die gestern nicht zur Sprache kamen.

DIE DISKUTANTEN

Friedrich Rödler ist Aufsichtsratsvorsitzender bei der Erste Group. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und war bis 2013 Mitglied des Vorstandes bei PwC Europe und Senior Partner bei PwC Österreich. [ Fabry ]

Edith Hlawati ist stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der österreichischen Post.

In der Kanzlei CHSH leitet sie das Department Banking & Corporate Finance. [ Fabry ]

Benedikt Spiegelfeld ist unter anderem stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Worthington Cylinders. Bei CHSH ist er Senior Partner und leitet das Department Corporate & Commercial. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2014)

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