Volkswagen bis auf die Zähne bewaffnet

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VW kostet der Abgasskandal Milliarden. Bei Anwälten zu sparen, kann sich der Konzern dennoch nicht leisten.

Des einen Leid ist des anderen Freud'. Das Sprichwort bewahrheitet sich auch im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal. Dem größten deutschen Automobilkonzern hat er die größte Krise seiner Geschichte beschert. Und einem ganzen Pulk von Anwaltskanzleien dafür eine Reihe höchstlukrativer Mandate, die sich über Jahre ziehen werden. Denn es gibt einiges zu tun.

Anfang Oktober hat der Aufsichtsrat von VW die US-Kanzlei Jones Day damit beauftragt aufzuklären, wie es zu den Datenmanipulationen kommen konnte und wer dafür die Verantwortung zu übernehmen hat. Nachdem der neue Volkswagen-Boss, Matthias Müller, „eine umfassende Aufklärung bis ins kleinste Detail und Konsequenzen ohne Rücksicht auf Personen“ angekündigt hat, soll Jones Day nun Zugriff auf alle Unterlagen und Daten des Wolfsburger Konzerns erhalten, berichtet das „Handelsblatt“.

Dass die Wahl gerade auf eine US-Kanzlei gefallen ist, wird viele Konkurrenten in Deutschland gemagerlt haben. Denn dort zählt Jones Day mit 92 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 53 Mio. Euro nicht zu den großen Spielern unter den Lawfirms. Doch vielleicht will Volkswagen mit der Wahl einer amerikanischen Kanzlei die US-Behörden wohlwollender stimmen.

Mit nur einer Wirtschaftskanzlei findet Volkswagen in Amerika ohnehin nicht das Auslangen. Deshalb hat der Konzern zusätzlich noch Kirkland& Ellis beauftragt. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg soll sich diese Kanzlei v. a. mit den US-Aufsichtsbehörden auseinandersetzen. Erfahrungen mit heiklen Causen kann die Lawfirm, die ihre Headquarters in Chicago hat, schon vorweisen. 2010 vertrat sie den britischen Ölkonzern BP nach der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon. BP musste damals Schadens- und Strafzahlungen in Milliardenhöhe leisten. Ein Szenario, auf das sich Volkswagen auch einstellen muss.

Nur ein weiterer Grund für die Chefetage, sich mit weiteren namhaften Wirtschaftssozietäten zu wappnen: Die Magic-Circle-Kanzlei Freshfields (Anm.: Zu den Magic-Circle-Kanzleien zählen die fünf Anwaltskanzleien Londons mit den größten Umsätzen) soll laut Infos des Branchenmagazins „Juve“ die größte Rückrufaktion der Unternehmensgeschichte managen. Immerhin hat das Kraftfahrt-Bundesamt den Rückruf von 2,4 Millionen VW-Autos angeordnet. Die andere Großbaustelle, der sich Freshfields zu widmen hat, ist die Riesenwelle an zivilrechtlichen Klagen, denen sich VW von Kunden, Händlern und Importeuren in Kürze gegenübersehen wird.

Auch mit Schadenersatzklagen von Aktionären muss VW rechnen. Sie soll die deutsche Kanzlei Schilling Zutt & Anschütz abwehren. In einem Gutachten klärt sie gerade, ob VW rechtzeitig den Kapitalmarkt über die manipulierten Messwerte informiert hat: Für die folgenden Prozesse eine entscheidende Rechtsfrage.

Bleibt noch die strafrechtliche Front. Hier soll die US-Kanzlei White&Case den deutschen Autobauer vertreten. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat in den vergangenen Wochen sowohl die VW-Konzernzentrale als auch Privaträume von ehemaligen Mitarbeitern untersucht. Die Anwälte von White & Case sollen nun die Betroffenen beraten und begleiten, die von der Staatsanwaltschaft als Zeugen einvernommen werden.

E-Mails an: judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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