Novelle bringt saftige Strafen

Kuras, Vorstand der Wiener Börse, begrüßt Erleichterungen für den Mittelstand.
Kuras, Vorstand der Wiener Börse, begrüßt Erleichterungen für den Mittelstand.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kapitalmarkt. Am 26. November treten umfangreiche Änderungen des Börsegesetzes in Kraft. Mittelständlern soll der Zugang zur Börse erleichtert werden. Quartalsberichte sind Vergangenheit.

Wien. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen ändert sich mit 26. November 2015 recht viel. An diesem Tag treten die umfangreichen Änderungen des Börsegesetzes in Kraft. Damit setzt Österreich die Änderungen der Transparenz-Richtlinie um, die schon im November 2013 im Amtsblatt der EU publiziert wurde.

Wesentliches Augenmerk wurde dabei auf mittelständische Unternehmen gelegt. Eine Intention, die Birgit Kuras, Vorstandsmitglied der Wiener Börse, begrüßt: „Eigenkapital über die Börse ermöglicht Innovation und Expansion. Das macht Unternehmen unabhängig und stärkt gleichzeitig die heimische Wirtschaft. Wenn der Mittelstand einen erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt bekommt, ist das für den Standort gut und füllt mittelfristig auch die Pipeline der Wiener Börse.“


Die Änderungen im Überblick:
• Zukünftig entfällt die Verpflichtung, Quartalsberichte zu erstellen und zu veröffentlichen. Damit sollen sich die Unternehmen jene Kosten ersparen, die mit der Erstellung dieser Berichte anfallen. Gerade KMUs, die – anders als große börsenotierte Unternehmen – weniger personelle Ressourcen haben, kommt das zugute. Kuras: „Der Entfall der Quartalsberichterstattung senkt die laufenden unternehmensinternen Kosten einer Börsenotiz. Sie sind für kleinere Unternehmen überproportional höher als bei großen Unternehmen.“

Doch keine Regel ohne Ausnahme: Börsenotierte Unternehmen im Topsegment Prime Market verpflichten sich gegenüber der Börse vertraglich auch weiterhin zu erhöhter Transparenz, und zwar über dem vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Maß. Für sie gilt daher die Pflicht, Quartalsberichte zu erstellen, weiterhin, jedoch vereinfacht und in geringerem Umfang.

Im Segment Prime Market sind Aktienwerte zusammengefasst, die zum Amtlichen Handel oder zum Geregelten Freiverkehr zugelassen sind und speziellen Zusatzanforderungen entsprechen. Grundsätzlich werden in den Prime Market nur Stammaktien aufgenommen.


• Neu geregelt wurde auch die Meldepflicht für wichtige Beteiligungen. „Mit der Einführung einer neuen Generalklausel sollen nunmehr alle ,Instrumente‘, also jede Art von rechtsverbindlicher Vereinbarung, erfasst werden, die eine wirtschaftliche Wirkung entfalten. Das sind etwa Kaufoptionen oder Termingeschäfte“, sagt der Kapitalmarktrechtsexperte Philipp Spatz. Schon bisher mussten Erwerber und Veräußerer von Aktien einer börsenotierten Gesellschaft der Finanzmarktaufsicht (FMA), der Wiener Börse und dem Emittenten melden, wenn sie aufgrund einer Transaktion bestimmte Beteiligungsschwellen erreicht, über- oder unterschritten hatten. Der Emittent hatte im Anschluss daran die Öffentlichkeit zu informieren.

„Zweck dieser Bestimmung war es, allen Anlegern transparent zu machen, wie die Beteiligungsverhältnisse an einer börsenotierten Gesellschaft sind. So sollten Anleger frühzeitig erkennen können, ob ein Investor dabei ist, ein Aktienpaket im Vorfeld einer geplanten Übernahme aufzubauen“, so Rechtsanwalt Spatz. Genau das konnte aber mit diversen Umgehungskonstruktionen in der Vergangenheit vermieden werden. Man denke etwa an die Übernahme des Autozulieferers Continental durch den Maschinenbaukonzern Schaeffler in Deutschland oder den Einstieg von Ronny Pecik bei der Telekom Austria. „Diesen und anderen Fällen war eines gemeinsam“, erklärt Spatz: „Der Übernehmer vermied es gezielt, das Überschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen zu melden, und ging erst an die Öffentlichkeit, nachdem er sich bereits ein großes Aktienpaket gesichert hatte. Hintergrund ist typischerweise, dass der Investor verhindern will, dass der Kurs gerade aufgrund der Information über seinen beabsichtigten Paketaufbau ansteigt und die Sache für ihn damit immer teurer wird.“


• Eine weitere Änderung soll verhindern, dass sich Unternehmen jene Börsen suchen, die für sie die angenehmeren Bedingungen bieten. Bisher galt in Österreich das sogenannte Listing-Prinzip. Das heißt, der Rechnungslegungskontrolle unterlagen nur jene Unternehmen, welche an der Wiener Börse im amtlichen Handel oder geregelten Freiverkehr Aktien, Anleihen, Optionsscheine und Zertifikate begeben haben. Damit auch jene, deren Unternehmenssitz nicht in Österreich ist, die aber hier gelistet sind. Zukünftig wird jedoch das Home-country-Prinzip gelten: Ein börsenotiertes Unternehmen, das hier seinen Sitz hat, wird auch hier geprüft, unabhängig davon, ob es seine Wertpapiere an einer anderen Börse handelt.


• Die Einhaltung aller Vorschriften wird künftig mit drastisch strengeren Strafen sanktioniert als bisher. Der Strafrahmen für Verstöße gegen die Melde-, Veröffentlichungs- oder Antragspflichten wurde für natürliche Personen von 60.000 Euro auf zwei Millionen Euro erhöht. Für juristische Personen gilt eine differenziertere Regel: Statt einer Strafe von 150.000 Euro wird nun bei Verstößen bis zu zehn Millionen oder dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzen oder aber fünf Prozent des Gesamtumsatzes kassiert. Entscheidend ist, welcher Betrag höher ist. „Derart hohe Verwaltungsstrafen waren dem österreichischen Recht bis vor Kurzem unbekannt. Die Zulässigkeit, einer Verwaltungsbehörde eine solche Strafbefugnis einzuräumen, wird von Verfassungsexperten zum Teil in Zweifel gezogen“, betont Spatz. Doch nicht nur die hohen Strafsummen sollen abschreckend wirken. Schmerzen wird die Unternehmen auch, dass die Strafen öffentlich bekannt gemacht werden können. „Die Finanzmarktaufsicht kann grundsätzlich alle verhängten Geldstrafen einschließlich der Identität der betroffenen Personen veröffentlichen, und zwar ohne die Rechtskraft der Entscheidung abzuwarten“, so Spatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2015)

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