Kunstwerk der Woche: Ein zerkratzter Warhol macht keine Freude

Wie genau muss man ein Kunstwerk inspizieren?

Ein Unternehmen kaufte von einer Galeristin einen bereits gerahmten Unikat-Handsiebdruck von Andy Warhol um 70.000 Euro. Das Kunstwerk hing eineinhalb Jahre in den Räumen des Unternehmens, dann beschloss die Geschäftsführung, es neu rahmen zu lassen. Dabei kam Unerfreuliches zutage: Der Warhol wies nicht nur Knicke im Karton und Kratzer in der Farboberfläche, sondern auch andere erhebliche Mängel auf, die den Wert des Bildnisses um 35Prozent reduzierten. Der Geschäftsführer des Unternehmens verlor aufgrund der neuen Faktenlage jegliche Freude an der Grafik, ja er sah sie subjektiv als wertlos an. Deshalb begehrte er die Rückabwicklung des Vertrages nach dem UN-Kaufrechtsübereinkommen.

Die ersten beiden Instanzen schlossen sich seiner Argumentation an: Es sei nicht üblich, dass eine Privatperson beim Ankauf eines solchen Kunstwerks den vorhandenen Bilderrahmen zerlegen müsse, um den Zustand des Bildnisses festzustellen. Im seriösen Kunsthandel könne sich der Kunde auf die Angaben des Verkäufers verlassen. Anders die Meinung der Galeristin, die jedoch auch vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) damit nicht durchdrang: Die Rückabwicklung eines Kaufvertrags komme zwar nur in besonders schweren Fällen in Betracht, der vorliegende sei jedoch ein solcher, so der OGH. Und noch eines: Weder ein Unternehmen noch ein Privater muss ein Bild ausrahmen, um herauszufinden, ob es wirklich intakt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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