Ansprüche gegen Pleitefirmen: Streitfrage geklärt

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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OGH-Entscheidung. Wer einem insolventen Unternehmen Geld schuldet, aber auch eine aufrechenbare Gegenforderung hat, muss schnell handeln – sonst bleibt ihm von seinem Anspruch womöglich nur noch die Quote.

Wien. Es ist ein Szenario, wie es immer wieder vorkommt: Man schuldet einem Unternehmen Geld, hat gegen dieses aber auch selbst eine Forderung. Typischer Fall: ein Auftrag an eine Baufirma oder einen Handwerker, bei dem etwas schiefgegangen ist. Der Auftraggeber hat deshalb die Rechnung noch nicht bezahlt. Und macht seinerseits eine Gegenforderung, etwa einen Schadenersatzanspruch, geltend.
Normalerweise wird man dann die Forderungen gegeneinander aufrechnen und nur den Differenzbetrag bezahlen. Aber was passiert, wenn das Unternehmen pleitegeht? Aufrechnen kann man trotzdem, sagt Insolvenzrechtsexpertin Susanne Fruhstorfer, Partnerin bei Taylor Wessing CEE: In Österreich ist, anders als in vielen anderen Ländern, eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen nicht ausgeschlossen. Konkret darf man aufrechnen, wenn die Forderungen einander bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung aufrechenbar gegenübergestanden sind. Angenommen, die Handwerkerrechnung macht 1500 Euro aus, man hat aber selbst einen Schadenersatzanspruch von 1000 Euro: Dann muss man nur 500 Euro zahlen.

Forderung kann schrumpfen

Im Insolvenzverfahren anmelden muss man die Gegenforderung dazu nicht. „Das führt aber oft dazu, dass man auch sonst nichts tut“, sagt Fruhstorfer. Konkret: Dass man auch keine Aufrechnungserklärung abgibt. Das kann aber ein fataler Fehler sein. Sobald nämlich ein Sanierungsplan zustande kommt und rechtskräftig bestätigt wird, muss das Unternehmen von seinen Verbindlichkeiten nur noch die Quote bezahlen. Und das betrifft – wie ein verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofs (OGH) kürzlich klarstellte – auch Gläubiger, deren Anspruch in einer aufrechenbaren Gegenforderung besteht, die es aber versäumt haben, bereits im Insolvenzverfahren die Aufrechnung zu erklären (6 Ob 179/14p). Jahrzehntelang war das umstritten, auch die Judikatur dazu war uneinheitlich. Jetzt ist es fix: In voller Höhe aufrechnen kann man nur, wenn man schon während des Insolvenzverfahrens eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.

Angenommen, die Quote beträgt 20 Prozent: Dann hieße das im Beispielfall, dass die Schadenersatzforderung von 1000 auf 200 Euro schrumpft. Der Anspruch auf den Werklohn bleibt dagegen in voller Höhe aufrecht. Der Auftraggeber muss somit 1300 Euro zahlen – um 800 Euro mehr, als wenn er rechtzeitig aufgerechnet hätte. Wobei wirklich nur eine ausdrückliche Aufrechnungserklärung zählt; die Forderung im Insolvenzverfahren anzumelden würde nichts bringen.

Wichtig sei auch, dass man sich damit nicht zu viel Zeit lässt, sagt die Juristin: Sanierungsverfahren können innerhalb weniger Monate abgeschlossen sein, und dann ist es zu spät. Nun hat man aber in solchen Fällen oft einen guten Grund, mit der Aufrechnung zu zögern: Es kann unklar sein, ob dem Unternehmen der Werklohn überhaupt in voller Höhe zusteht. Rechnet man aber seine eigene Forderung damit auf, kann das als Anerkennung des Rechnungsbetrags gewertet werden. Eine „Eventualaufrechnung“ ist zwar in einem Prozess erlaubt (man bestreitet den Anspruch der Gegenpartei, erklärt aber, dass man in eventu – falls der Prozessgegner recht bekommt – eine aufrechenbare Gegenforderung hat). Außergerichtlich wird das aber von der Judikatur nicht anerkannt.

„Beachtliche Argumente“

Dazu merkte der verstärkte Senat lediglich an, dass ein Teil der Lehre diese Judikatur kritisiert – und dass es „beachtliche Argumente“ gibt, die dagegen sprechen, sie auf den Insolvenzfall zu übertragen. Das sei hier aber nicht zu prüfen gewesen. Geklärt ist diese Frage somit nicht. Fruhstorfer empfiehlt dennoch, es mit einer Eventualaufrechnung zu versuchen, wenn man in eine solche Situation kommt. Sie ortet beim OGH zumindest eine Tendenz, dass er das im Insolvenzverfahren akzeptieren würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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