Bundesfinanzgericht: "Kammerumlage ist eine Steuer"

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Erneut bekämpfte eine Unternehmerin den Wirtschaftskammerbeitrag. Erfolglos: Denn das Gericht sieht darin keine Gebühr, sondern eine zulässige Steuer.

Wien. Eine Unternehmerin hat gegen die Erhebung der Kammerumlage geklagt. Das Bundesfinanzgericht hat die Beschwerde abgewiesen; jetzt ist der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Zug.

In der Vergangenheit wurde bereits mehrmals erfolglos versucht, die Kammerumlage 1 mit verfassungs- und unionsrechtlichen Argumenten zu kippen. Jetzt hat es eine Autohändlerin erneut versucht (BFG 29. Dezember 2015, RV/2100018/2015), weil sie sich gegenüber Direktimporteuren benachteiligt fühlt. Denn, während bei Direktimporteuren nur einmal Kammerumlage anfällt, sei sie als Fahrzeugeinkäuferin bei Zwischenhändlern unverhältnismäßig belastet, da auf jeder Handelsstufe Kammerumlage anfällt.

Belastung ungleich verteilt

Die Kammerumlage 1 beträgt vereinfacht gesagt 0,3 Prozent der Vorsteuern eines Unternehmens, das heißt der Umsatzsteuer, die auf bezogene Leistungen anfällt. Sie richtet sich also nicht nach der Ertragskraft eines Unternehmens, sondern nach dem Umsatz und wirkt dadurch wie eine nicht abzugsfähige Vorsteuer als Kostenfaktor. Deshalb sind Branchen mit niedriger Handelsspanne durch die Kammerumlage benachteiligt. Besonders trifft dies Unternehmen, die in eine mehrstufige Absatzkette eingebunden sind, weil dadurch für das gleiche Erzeugnis mehrfach Kammerumlage erhoben wird. Was bei der Umsatzsteuer undenkbar wäre, hat der VfGH bei der Kammerumlage akzeptiert. Begründung: Der Umsatz sei nur eines von mehreren Kriterien, nach denen sich die von den Kammermitgliedern insgesamt zu leistenden Beiträge richten.

Das Wirtschaftskammergesetz sieht vor, dass die Kammerumlage 1 nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme einzuheben ist. Das bedeutet, dass Unternehmen, die umfangreichere Kammerleistungen beanspruchen, auch eine höhere Kammerumlage leisten sollen. Eine Ausnahme von der Kammerumlage 1 besteht nur für Unternehmen, deren Jahresumsatz unter 150.000 € liegt. Diesen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat der Verwaltungsgerichtshof aber bereits in einer früheren Entscheidung relativiert. Die zentralen Aufgaben der Kammern, die gemeinsamen Interessen der Unternehmen gegenüber dem Staat zu vertreten und zu versuchen, sie gegenüber dem Sozialpartner durchzusetzen, könnten nicht einzelnen Mitgliedern individuell zugeordnet werden. Die Umlagen seien daher nicht als Gebühren, sondern als steuerähnliche Abgaben zu verstehen. Das Bundesfinanzgericht spricht in der aktuellen Entscheidung überhaupt von einer Steuer.

Interessant ist, dass das Bundesfinanzgericht die Kammerumlage auch deshalb für verfassungskonform hält, weil das Wirtschaftskammergesetz eine Herabsetzung für unverhältnismäßig belastete Branchen durch das erweiterte Präsidium der Bundeswirtschaftskammer vorsieht. Ob dies im Fall des Autohandels geboten gewesen wäre, hat das Bundesfinanzgericht aber nicht beantwortet.

Auch die Festsetzung der Beiträge zu anderen Kammern ist nicht unproblematisch. So besteht eine beitragspflichtige Mitgliedschaft in der Landwirtschaftskammer selbst dann, wenn der landwirtschaftliche Betrieb bereits aufgegeben wurde. Da die verschiedenen Kammern teils ÖVP-, teils SPÖ-dominiert sind, wird auch immer wieder eine indirekte Parteienfinanzierung kritisiert.

Kritik an Parteienfinanzierung

Dabei könnte die Kritik an der Kammerumlage durch eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft leicht entkräftet werden, aber das ist im Kammerstaat Österreich wohl undenkbar. Serviceorientierte Kammern müssten sich davor keineswegs fürchten. Zumindest sollte die Bemessung der Kammerumlage neu geregelt, das heißt stärker von der tatsächlichen Unternehmensgröße und -profitabilität abhängig gemacht werden.

Spannend wird auch sein, ob die Registrierkassenpflicht zu einer Aufkommenssteigerung bei der Kammerumlage 1 führen wird. Denn, sollten höhere Umsätze registriert werden, dann könnten auf der anderen Seite auch höhere bezogene Leistungen (z. B. Wareneinsatz) ausgewiesen werden. Eine Aufkommenssteigerung würde erst recht für eine Reform des Kammerbeitragssystems sprechen.


Prof. DDr. Hermann Peyerl, LL.M. ist am Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Boku Wien tätig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2016)

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