Vom Gerangel um die großen Pleiten

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Große Konkurse sind selten, aber heiß ersehnt. Jedenfalls von jenen, denen sie Arbeit und viel Geld bringen: den Insolvenzverwaltern.

Wien. Ein Insolvenzverwalter muss kein Rechtsanwalt sein, ist es aber praktisch immer. Die österreichische Insolvenzordnung (IO) verlangt das nicht. Lediglich eine „geeignete Person“, sie sich mit Betriebswirtschaft, Insolvenz-, Steuer- und Arbeitsrecht auskennt, hat es zu sein. Und sie muss auch in der Lage sein, das Insolvenzverfahren zügig durchzuführen. Wer im konkreten Fall der oder die Richtige ist, das entscheidet eine Person allein: der Insolvenzrichter.

Wie gut das Geschäft der einzelnen Insolvenzverwalter läuft, hängt daher hauptsächlich von seiner Entscheidung ab. Und genau das stört – wenig überraschend – vor allem die nicht ausgelasteten Insolvenzverwalter. Sie ereifern sich mit Ausdauer, aber stets hinter vorgehaltener Hand darüber, dass es bei der Vergabe der begehrten größeren, lukrativen Insolvenzen nicht mit rechten Dingen zugehe. Für die Auswahl sei nämlich nicht die fachliche Qualifikation entscheidend, sondern vielmehr, wie intensiv man sich vorweg um die Gunst der mächtigen Richter bemüht hätte. Ihr Fazit: Wer nicht willens ist zu buckeln, geht eben leer aus.

Ein Vorwurf mit Gewicht, würde er nur einmal laut und an der richtigen Stelle erhoben werden. Doch so weit kommt es nicht. Man wolle es sich doch nicht gänzlich mit der Richterschaft verscherzen, heißt es als Rechtfertigung. Möglich und menschlich ist jedoch auch, dass bei den leisen Vorhaltungen Neid und Missgunst eine Rolle spielen. Nicht jeder Anwalt hat die Größe, dem Mitbewerber seine gute Auftragslage zu gönnen. Einer der weiß, wie die Dinge in Sachen Insolvenzen ablaufen, ist Florian Gehmacher. Der Insolvenzverwalter gilt als Name in der Insolvenzszene, dabei zog sich der 68-Jährige schon vor drei Jahren als Rechtsanwalt zurück. Gehmacher war es nämlich, der den bis dahin größten Konkurs der zweiten Republik als Massverwalter abzuwickeln hatte. Jenen der Hofman & Maculan Bau Gesellschaft. Sie wies 1996, dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung, mehrere Milliarden Schilling an Passiva auf.

Die Zeit der Günstlingswirtschaft habe es gegeben, sagt er. Sie sei aber schon lang vorbei. In den 1980er-Jahren da habe es unter den Wiener Insolvenzverwaltern einen kleinen Kreis von Anwälten gegeben, die stets die größten Verfahren abwickelten. Das musste Gehmacher erfahren, als er als junger Anwalt von Salzburg nach Wien kam. Da er in der Hauptstadt keine Klienten hatte, stellte er sich bei den Insolvenzrichtern vor. Sie überantworteten ihm auch immer wieder Konkurse, allerdings nur „Kleinzeug“. Nach geraumer Zeit fragte er nach, ob er nicht auch einmal etwas Größeres bekommen könne. Er möge sich doch um Anschluss an bestimmte Wiener Insolvenzverwalter bemühen, die sich regelmäßig in einem bestimmten Gasthaus träfen, riet ihm daraufhin ein Richter. Das tat Gehmacher auch. Doch nach kurzer Zeit ließen ihn die Herren wissen: Es täte ihnen sehr leid, aber die Runde sei schon groß genug.

Gehmacher hat seinen Weg trotzdem gemacht – und den exklusiven Zirkel gibt es längst nicht mehr. Das mag an einer neuen Generation von Richtern und den vielen Großkonkursen (Konsum, Maculan, Assmann etc.) der 1990er-Jahren liegen, die so ziemlich alle verfügbaren Insolvenzrechtsspezialisten auslasteten.

Worauf kommt es an?

Doch was sollte für einen Richter bei seiner Auswahl wirklich maßgeblich sein? Eine wichtige Frage, denn „die Auswahl des Insolvenzverwalters ist die Schicksalsfrage des Konkurses“, zitiert Hans-Georg Kantner, Leiter Insolvenzen des Kreditschutzverbandes 1870, den renommierten deutschen Insolvenzrechtler Ernst Jaeger. „Und das ist auch so.“ Er hat keine Zweifel, dass die Zuteilungen der Konkurse in Österreich korrekt abläuft. Dass der Richter nicht jemand x-Beliebigen bestellen könne, sei nur allzu verständlich: „Der Insolvenzrichter muss Personen in die nähere Auswahl ziehen, von denen er weiß, dass sie in der Lage sind, einen großen Konkurs zuverlässig abzuwickeln. Das muss er auch objektivieren können“, sagt Kantner. „Eine Großinsolvenz kann nur jemand bekommen, der schon zumindest mittelgroße Fälle erfolgreich abgewickelt hat.“ Das bestätigt auch Christa Puschmann, eine der sieben Insolvenzrichter am Handelsgericht Wien. „Neben dem juristischen Spezialwissen und dem hohen wirtschaftlichen Verständnis kommt es darauf an, dass der Insolvenzverwalter in seiner Kanzlei eine Organisation hinter sich hat, die tatsächlich in der Lage ist, einen größeren Konkurs abzuwickeln. Es muss genügend Sekretärinnen, Sachbearbeiter und Juristen geben, die auch wirklich das ausreichende Know-how haben.“ Doch mindestens genauso wichtig sei ein intaktes Vertrauensverhältnis. „Es muss jemand sein, auf den ich mich verlassen kann. Schließlich habe ich auch eine Überwachungspflicht zu erfüllen“, so Puschmann. Den Vorwurf, es käme aufs Antichambrieren an, weist sie zurück.

Apropos Vertrauen: Es macht nicht nur dem Richter, sondern auch dem Anwalt das Arbeiten leichter. Gehmacher: „Wenn es Probleme oder Fragen gibt, die man nicht gleich lösen kann, hilft es sehr, wenn der Richter ein offenes Ohr hat. Unangenehm wäre es hingegen, wenn er auf dem Standpunkt steht: Das ist Ihre Aufgabe. Machen Sie halt eine Eingabe.“

Eine Anwältin, die von allen Insolvenzrichtern geschätzt und von vielen Kollegen beneidet wird, ist Ulla Reisch. Seit Jahren gibt es kaum eine große Insolvenz, bei der Reisch nicht auf einer der Seiten involviert ist. Was für sie einen guten Insolvenzverwalter ausmacht? „Er muss absolut integer im Interesse der Gläubiger handeln, sofern die Insolvenzordnung nicht ausdrücklich auch die Berücksichtigung von schuldnerischen Interessen vorsieht. Das heißt, dass Verwertungen ausschließlich an den Bestbieter im Rahmen eines transparenten Verfahrens zu erfolgen haben und nicht anders.“ Wenn also der gute Bekannte des Insolvenzverwalters gleich ein paar Liegenschaften des Schuldners übernimmt, ist die Optik nicht bloß schief. Dass Insolvenzverwalter auch im Ausland vernetzt sein und Grundkenntnisse des Insolvenzrechts der Nachbarländer haben sollten, ist für die Anwältin ebenfalls selbstverständlich. „Denn gerade bei großen Konkursen ist es nicht selten, dass schuldnerische Unternehmen international verflochten sind. Darum sind gute Englischkenntnisse ebenfalls ein Muss.“ Alle guten Insolvenzverwalter haben diese Kompetenzen zweifellos“, ist sich Kantner sicher. Nur, es ist eben nicht jeder gut – und so manchem ist das nicht einmal bewusst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2016)

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