Handelsvertreter kann leichter klagen

Gericht, Rechtsprechung, Justiz, Gerichtssaal, Landesgericht Wr. Neustadt  Foto: Clemens Fabry
Gericht, Rechtsprechung, Justiz, Gerichtssaal, Landesgericht Wr. Neustadt Foto: Clemens Fabry(c) (Clemens Fabry)
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Ein Österreicher kann sich über einen Sieg vor dem EU-Gerichtshof freuen. Er darf nach seiner Kündigung im Inland klagen, obwohl sein Ex-Chef in Luxemburg sitzt.

WIEN. Mitunter regeln Handelsvertreter und Geschäftsherr ihre Rechtsverhältnisse nur sehr rudimentär. Zwar wird die Provisionshöhe vereinbart, darüber hinausgehende Regelungen aber nicht. Auf dieser Basis war auch ein österreichischer Handelsvertreter für ein luxemburgisches Unternehmen tätig, für das es den Markt für Parkettböden in mehreren europäischen Ländern durch die Vermittlung und den Abschluss von Lieferverträgen erschloss. Schließlich kam es aber zu Meinungsverschiedenheiten, und der Handelsvertretervertrag wurde gekündigt. Der Handelsvertreter wollte nun Kündigungsentschädigung (wegen vorzeitiger unberechtigter Kündigung) und den gesetzlichen Ausgleichsanspruch (durchschnittliche Jahresprovision der letzten drei Jahre) geltend machen. Doch wo?

Innerhalb der EU (außer Dänemark) regelt diese Gerichtszuständigkeit die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO). Diese schreibt als Grundsatz vor, dass Streitigkeiten dort auszutragen sind, wo der Beklagte seinen Sitz hat. Der österreichische Handelsvertreter hätte also einen Prozess in Luxemburg führen müssen. Neben diesem allgemeinen Gerichtsstand sieht die EuGVVO aber noch einige besondere Gerichtsstände vor, an denen alternativ geklagt werden kann. Art 5 Nr. 1 EuGVVO bestimmt, dass Ansprüche aus einem Vertrag auch – vereinfacht gesagt – am Erfüllungsort eingeklagt werden können.

Der Handelsvertreter war der Auffassung, dass er überwiegend von seinem Sitz aus tätig geworden sei. Er brachte die Klage daher beim seiner Ansicht nach zuständigen österreichischen Gericht ein. Der beklagte Geschäftsherr bestritt die Zuständigkeit, das Erstgericht bejahte sie. Das in zweiter Instanz angerufene OLG Wien tendierte ebenfalls zu dieser Ansicht, legte aber die Frage dem Gerichtshof der EU (EuGH) zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH bestätigte nun in seinem Urteil (Rs C-19/09 Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH) die Ansicht des Handelsvertreters. Die Leistungen eines Handelsvertreters sind als Dienstleistungen zu qualifizieren (weshalb Art 5 Nr. 1 lit b zweiter Gedankenstrich EuGVVO anwendbar ist). Nach dieser Bestimmung kann an dem Ort geklagt werden, an dem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht werden.

Vertrag an vielen Orten erfüllt

Bei einem Handelsvertretervertrag gibt es oft eine Vielzahl von Erfüllungsorten. Zum Wesen des Handelsvertreters gehört es ja, dass er an Messen teilnimmt, Kunden besucht und damit Erfüllungshandlungen an vielen Orten (oftmals auch in vielen Staaten) setzt, daneben aber auch eine Vielzahl von Arbeiten (Korrespondenz, Telefonate, Buchhaltung etc.) in seinem Büro erledigt. Da im vorliegenden Fall mehrere Erfüllungsorte in mehreren europäischen Staaten infrage kamen, hatte der EuGH zu entscheiden, ob dieser Gerichtsstand überhaupt herangezogen werden kann und wenn ja, an welchem die Klage tatsächlich eingebracht werden darf.

Der EuGH kam dabei zu dem Ergebnis, dass diese Bestimmung auch bei mehreren Erfüllungsorten in mehreren Mitgliedstaaten anwendbar ist und dass unter „Erfüllungsort“ der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter zu verstehen ist. Dieser Erfüllungsort ist zwar primär nach dem jeweils geschlossenen Vertrag zu bestimmen. Wenn also im Vertrag ausdrücklich ein Erfüllungsort genannt ist, so ist dieser heranzuziehen. Wenn es jedoch – wie im Ausgangsfall – keinen vertraglich bestimmten Erfüllungsort gibt, so ist jener Ort maßgeblich, an dem der Handelsvertreter seine Dienstleistungen hauptsächlich erbracht hat. Wenn sich auf diese Weise kein hauptsächlicher Erfüllungsort ermitteln lässt, so ist der Sitz des Handelsvertreters maßgeblich, an dem erhebliche Leistungen (wie telefonische Kundenkontakte, Vertragsverwaltung, Abrechnung) erbracht werden.

Der EuGH hat damit eine für Handelsvertreter – aber auch für andere Dienstleister – richtungweisende Entscheidung getroffen. Im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr hat der Dienstleister daher die Möglichkeit, auch am Haupterfüllungsort zu klagen. In vielen Fällen wird dieser freilich mit dem Sitz des Dienstleisters identisch sein.

Größere Bedeutung

Mit seinem Urteil hat der EuGH Art 5 Nr 1 EuGVVO sehr praxisfreundlich ausgelegt. Der Bestimmung kommt nun eine größere Bedeutung zu. Die Rechtsdurchsetzung wurde erleichtert.

Rechtsanwalt DDr. Jörg Zehetner hat, unterstützt durch Mag.
Clemens Schöfmann (beide KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH), den Handelsvertreter im Verfahren vor dem EuGH vertreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2010)

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