Intelligenz: Klug wie die Bienen

Auch Miniatur-Gehirne können lernen und alte Erfahrungen in neue Entscheidungen umsetzen.

Stellen Sie sich vor, man zeige Ihnen auf Ihrem Weg durch die Stadt nacheinander zwei unterschiedliche Farbmuster und verspreche Ihnen eine Belohnung, wenn Sie irgendwann später das eine sehen, beim anderen gibt es nichts. Wie lange werden Sie sich an das Richtige erinnern _ und wie werden Sie auf den späteren Anblick zweier anderer Muster reagieren, die man ihnen gar nicht gezeigt hat, die aber in derselben Reihenfolge auftauchen wie die ersten?
Es wird von Ihrem Alter abhängen, das Kurzzeitgedächtnis wird mit den Jahren nicht besser. Bei uns nicht, bei den Bienen vermutlich schon: Ihr Gehirn wächst, wenn Sie in das Alter kommen, in dem es viel zu lernen gibt. Bienen werden vier bis sieben Wochen alt, erst bleiben sie im Nest und üben sich dort in immer neue Aufgaben ein. Erst putzen sie, dann versorgen sie die Brut, dann lagern sie die Nahrung ein und bauen neue Waben. Dann wächst _ gesteuert von einem Pheromon der Königin _ ein bestimmter Teil des Gehirns ("Pilzkörper") um 20 Prozent, es geht hinaus in eine ganz neue Welt. Erinnern Sie sich noch an die Eingangsfrage?
Eine Biene, die zum Sammeln ausfliegt, kann sich 6,53 Sekunden an ein Zeichen erinnern, das mit Belohnung verbunden ist. "Das ist ein bemerkenswert robuster Arbeitsspeicher", erklärt Jürgen Tautz, Leiter der "beegroup" der Universität Würzburg, der gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Fiola Bock und australischen Kollegen das Experiment ersonnen hat (Pnas, 28.#3.): Man lässt Bienen durch Plastik-Tunnels fliegen, dann kommt eine Querwand mit blau/weiß-quergestreiftem Muster (und Durchflugsloch), dann eine mit längsgestreiftem Muster, dann die "Entscheidungskammer". Sie hat zwei Ausgänge, eine mit dem Quer-, eine mit dem Längsmuster. Hinter der mit dem Quermuster gibt es Zuckerwasser, hinter der anderen nichts.
Dann trainiert man die Tiere darauf, dass das Quermuster das richtige ist. Und dann variiert man: Man verlängert den Tunnel und damit die Entfernung zwischen erstmaligem Auftritt der Signale und ihrer Wiederkehr. Sind sie 3,5 Meter auseinander, braucht die Biene 6,53 Sekunden, ihr Gedächtnis ist noch wach; muss sie hingegen 4,75 Meter zurücklegen, 8,86 Sekunden, ist ihre Erinnerung geschwunden, dann wählt sie nach dem Zufallsprinzip.

"Sie hat eine Regel gelernt"

Im nächsten Schritt hängt man das falsche Muster nicht hinter, sondern vor das richtige. Die Biene lässt sich nicht irritieren, soferne nur das richtige dort im Tunnel hängt _ soweit von seinem Eingang weg _, wie sie es im Training gewohnt ist. Völlig durcheinander gerät sie nur, wenn man diese Distanz verändert. Ganz ruhig steuert sie hingegen zum richtigen Ziel, wenn am gewohnten Ort ein ganz anderes Muster erscheint, eines, das sie noch nie gesehen hat: "Sie hat eine Regel gelernt", erklärt Tautz, "und zwar die Regel: ,Beachte immer das erste Muster und ignoriere immer das zweite!` Ihr Gedächtnis ist also nicht nur robust, sondern auch plastisch. Wenn das keine Bienen-Intelligenz ist!"
Wenn das keine allgemeine Intelligenz ist! Das Abstrahieren und Lernen von Regeln haben wir lange als Monopol betrachtet. Es kommt ins Wanken, wie viele andere "höhere" Leistungen. Dass Schimpansen fast alles so gut können wie wir, daran haben wir uns gewöhnt, auch daran, dass Krähen sich in andere hineindenken können wie wir. Aber dass gar Insekten-Gehirne verallgemeinern können?

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