Nanopartikel: Gefährden sie Früchte und Ernten?

Nanopartikel Gefaehrden Fruechte Ernten
Nanopartikel Gefaehrden Fruechte Ernten(c) AP (Maurilio Cheli)
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Ein US-Sicherheitsforschungs-Test an Soja zeigte, dass Nano-Zinkoxid das Wachstum verändert und überall in die Pflanzen eingelagert wird. Nano-Ceroxid hingegen mindert die Erträge.

Es wäre überraschend, wenn die Nanotechnologie nicht ähnliche Überraschungen bringen könnte wie Thalidomid (das Schlafmittel, das die Contergan-Kinder brachte, Red.), wenn nicht auf genug Vorsorge und Demut geachtet wird.“ So mahnte anno 2004 Charles, Prince of Wales, manche halten ihn für einen schrulligen Öko. Aber die nüchternen Rechner der Swiss Re, einem der größten Rückversicherer, kamen im gleichen Jahr zu einem noch herberen Urteil: „Mit Nanopartikeln muss vermutlich umgegangen werden wie mit radioaktiv strahlenden Substanzen.“

Damals war, zumindest in der Öffentlichkeit, auf dem Höhepunkt, was der Physiker Richard Feynman 1959 propagiert hatte, der Neubau der Welt aus kleinsten Teilchen, „nano“ heißt „Zwerg“. Das blieb lange Science Fiction, in den 80ern tauchten bunte Bildchen auf, von „Nanobots“, winzigen Robotern, die durch die Blutgefäße patrouillieren, die Wände putzen und Bakterien jagen.

Science Fiction: Gute und böse Nanoroboter

Das finstere Gegenbild kam später, es hieß „grey goo“ und handelte von verselbstständigten Nanorobotern: „Wir stehen an der Schwelle der Perfektion des extrem Bösen“, machte Bill Joy, Gründer von Sun-Microsystems, anno 2000 gruseln. Aber zu der Zeit war die wirkliche Revolution schon lange im Gang, ganz unspektakulär, nicht mit Nanowesen, sondern mit Nanopartikeln, von Zinkoxid (ZnO) etwa. Das wird als UV-Schutz schon lange in Sonnencremes gerührt, es gibt ihnen die milchige Farbe, viele mögen das nicht. Aber wenn man die Teilchen klein genug macht, werden sie transparent: Im Nanobereich ändern Materialien ihre Eigenschaften, Farbe, Viskosität etc. Das versprach die nächste technischen Revolution, und die Proponenten verbreiten auch monetär grenzenlose Hoffnungen: 300 Milliarden Dollar Umsatz sind es laut Mihail Roco (Herausgeber von Nanoparticle Research) derzeit, 2015 soll es eine Trillion sein, 1012 .

Die Güter dieses Marktes unterliegen keinen eigenen Umweltregulierungen – Nano-Zinkoxid (nano-ZnO) ist chemisch dasselbe wie größeres Zinkoxid, deshalb gelten einfach die gleichen Grenzwerte –, trotzdem blieben die professionellen Warner stumm, kein Greenpeace-Hahn kräht hinter Nano her. Auch die Sicherheitsforschung hält sich in Grenzen: Bei einer Sichtung der Literatur fand das Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Akademie der Wissenschaften im Vorjahr „nur 12 Arbeiten, die tatsächlich als ökologische Studien betrachtet werden können“. Und die kamen zu unterschiedlichsten Befunden: Am einfachsten ist es bei Nanosilber, es tötet Mikroorganismen – Pilze, Bakterien –, deshalb wird es etwa in Socken eingearbeitet. Kommt es dann mit dem Wasser aus der Waschmaschine in die Umwelt, tötet es natürlich auch Mikroorganismen, zudem hat es negative Effekte auf Fische und Krebse.

Böser Präzendenzfall: Asbest

Am schwierigsten ist es bei Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, weil es von ihnen sehr viele verschiedene gibt. Und dazwischen liegt ein weites Feld: Jedes Material kann zu Nano verkleinert werden – der Begriff deckt alles ab, was kleiner als 100 Nanometern ist, 100 Milliardstel Meter, ein Haar müsste man 80.000 Mal spalten –, und dann kann es theoretisch in die Bausteine des Lebens eingreifen: Eine rote Blutzelle hat 7000 Nanometer Durchmesser, ein Bakterium 1000. Und Nano kommt überall durch, Nano-Teflon etwa wanderte in einem Experiment an Mäusen den Geruchsnerv entlang ins Gehirn. Natürlich kommt Nano auch in die Lunge, von dort rührt die Sorge der Swiss Re, vom Präzendenzfall eines anderen Wundermaterials, das nach Jahrzehnten für die Arbeiter tödlich wurde und für Assekuranzen teuer: Asbest.

Und Nano gelangt nicht nur in Tiere und Menschen, sondern auch in Pflanzen: Die Chemikerin Patricia Holden (UC Santa Barbara, Center for Environmental Implications of Nanotechnology) hat experimentell die Wirkung von zwei Nanopartikeln auf Soja erkundet, das ist weltweit die fünftwichtigste und in den USA die zweitwichtigste Nutzpflanze. Einige Setzlinge kamen ins Labor in Erde, die in unterschiedlichen Graden mit nano-ZnO bzw. nano-CeO2 (Nano-Ceroxid) versehen worden war. Beides gelangt auf Felder, das nano-ZnO über Abwasser bzw. Klärschlamm, er wird in den USA oft als Dünger verwendet. In Holdens Labor veränderte nano-ZnO das Wachstum der Pflanzen, sie streckten sich rascher, bildeten aber weniger Blätter, die Erträge änderten sich nicht. Aber das nano-ZnO wurde überall in die Pflanze eingelagert, auch in die Bohnen.

Dringlich: Mehr und bessere Forschung

Beim nano-CeO2 ist alles anders, es kommt direkt auf die Äcker, mit den Traktoren, es ist als Zusatz im Diesel. Und es lässt die Erträge sinken: Es legt die Symbiose des Soja mit den Bodenbakterien still, die Stickstoff aus der Luft in Ammoniak umwandeln und so für die Pflanzen als Dünger zugänglich machen (Pnas, 20.8.). „Die Befunde sind eine Warnung vor den Gesundheits- und Umweltrisiken des steigenden Gebrauchs von Nanopartikeln“, schließen die Forscher. Das hat ihnen Kritik eingetragen: Sie haben nur zwei Nanopartikel getestet, und die in hohen Dosen. Zudem haben sie nicht gezeigt, dass Nano als Nano wirkte, es könnte auch zu größeren Zink- und Ceroxidklumpen geworden sein. „Es ist eine Pionier-Studie“, verteidigt der am Experiment nicht beteiligte Nano-Toxikologe Andre Nel (UC Los Angeles): „Und niemand weiß, wie hoch die Belastung der Böden mit Nanopartikeln wirklich ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2012)

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