Brandzeichen: Unleserliche Statussymbole

Brandzeichen Unleserliche Statussymbole
Brandzeichen Unleserliche Statussymbole(c) AP (Pablo Aneli)
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Brandzeichen sind für Pferde ein großer Stress, sie sind zudem schwieriger zu identifizieren als moderne Mikrochips.

„Nach dem großen Hurrikan Katrina in New Orleans 2005 fand man viele gestrandete Haustiere: Alle, die mit einem Mikrochip versehen waren, konnten ihrem Besitzer zugeordnet werden“, erzählt Jörg Aurich von der Vet-Med-Uni Wien. Gemeinsam mit seiner Frau Christine und dem Team der Abteilung für Geburtshilfe untersucht er die Kennzeichnung von Pferden: „In der EU ist die Kennzeichnung mit Mikrochips seit 2010 vorgeschrieben, es gibt aber Ausnahmen. Österreich ist so eine Ausnahme, hier halten die Pferdezuchtverbände an den Brandzeichen fest und verwenden keine Mikrochips.“

Sein Team wollte wissen, wie viel Stress oder Belastung die Tiere empfinden, wenn sie als Fohlen per Brandzeichen oder Mikrochip ihre persönliche Identifikation erhalten. Die Herzfrequenz und ein im Speichel analysiertes Stresshormon zeigten, dass die Fohlen schon gestresst sind, wenn sie für die Prozedur fixiert werden. Danach stieg der Spiegel des Stresshormons nicht mehr so stark. „Der Stress war für die Pferde, die Brandzeichen erhielten, gleich, wie für die, die einen Mikrochip unter die Haut am Hals gesetzt bekamen“, sagt Aurich. Doch im Falle der Brandzeichen erhöhte sich danach die Körpertemperatur – nicht nur auf der verbrannten Stelle. Bis zu einer Woche hatte das Pferd „Fieber“ – eine Reaktion, die auch aus der Humanmedizin nach schweren Verbrennungen bekannt ist. Mikroskopische Untersuchungen zeigten, dass das Gewebe rund um Brandzeichen Verbrennungen dritten Grades erleidet.


Tradition und Status. „Abgesehen von Fragen, die für den Tierschutz relevant sind, wollten wir auch wissen, wie gut leserlich herkömmliche Brandzeichen sind“, sagt Aurich. Immerhin schwören Zuchtverbände auf Brandzeichen als allerbeste Kennzeichnung, da man die Tiere jederzeit ohne Ablesegerät zuordnen kann. „Drei Mitarbeiterinnen, die Brandzeichen eher positiv gegenüberstehen und sich gut auskennen, haben bei einem großen Turnier in Deutschland und teils in Österreich an 270 Pferden Brandzeichen abgelesen.“

Die Zeichen bestehen aus zwei Anteilen: dem Verbandssymbol, das Herkunft und Rasse erkennen lässt, und einer individuellen Nummer, die in Österreich drei- und in Deutschland zweistellig ist. Schon beim Verbandssymbol konnten ca. 20 Prozent der Zeichen nicht korrekt erkannt werden. Bei den Nummernbränden waren sogar bis zu 45 Prozent nicht zu entziffern. Hingegen wurde in Vorstudien zur Sicherheit von Mikrochips eine Genauigkeit von 95 bis 100 Prozent erreicht, abhängig vom Lesegerät, das die 15-stellige Nummer per RFID-Technik erkennt. „Derzeit wird eine ISO-Norm definiert, die zumindest mit guten Geräten zu 100 Prozent lesbar ist“, so Aurich. Er weiß aber, dass Brandzeichen hierzulande eine Tradition sind, die seit der Monarchie den Status von Pferden anzeigen: „An der Marke halten die Zuchtverbände ebenso fest wie Mercedes an seinem berühmten Stern.“

Lexikon

Brandzeichen werden mit glühenden oder (seltener) auf -80°C gekühlten Eisen zumeist auf das linke Hinterbein der Pferde aufgebracht. Symbole geben Ort und Rasse bekannt, der Nummernbrand ist für ein Pferd individuell.

In der Monarchie bekam jedes Pferd mehrere Brandzeichen, auch Lipizzaner tragen heute noch vier Brandzeichen.

Mikrochips sind bei Kleintieren Pflicht zur Kennzeichnung. Die EU schreibt auch für Pferde RFID-Chips vor. Österreich ist
aus dieser Regel ausgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2012)

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