Patent auf Leben? Neue Runde!

Patent auf Leben
Patent auf Leben(c) EPA (Agricultural Biotech Center / Ha)
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Der Streit um die Patentierbarkeit von Genen wird in den USA demnächst vom Höchstgericht entschieden. Viel deutet auf ein Außerkraftsetzen solcher Patente.

Alles unter der Sonne, was von Menschen gemacht ist, kann patentiert werden.“ So steht es seit 1952 im Patentgesetz der USA. Aber was ist vom Menschen gemacht und was nicht? Das muss ausjudiziert werden, wenn sich neue Felder öffnen, und in den USA, nach denen sich in Patentrechtsfragen der Rest der Welt weithin richtet, hat dann der Oberste Gerichtshof das letzte Wort. Er entschied etwa 1981, dass „Naturgesetze, natürliche Phänomene und abstrakte Ideen“ nicht patentfähig sind, und er gab Beispiele: „Einstein könnte sein E=mc2 nicht patentieren, und Newton hätte das Gravitationsgesetz nicht patentieren dürfen. Solche Entdeckungen sind Erscheinungen der Natur, sie sind für alle Menschen frei und für niemanden exklusiv reserviert.“

Das Gravitationsgesetz gehört allen


Was aber, wenn Newton sein Verfahren der Differenzialrechnung zum Patentamt getragen hätte? Oder wenn, zeitnäher, ein Softwarespezialist mit einem Programm beim Patentamt anklopft? Darum ging es 1981, das Gericht entschied, dass „Formeln“ und „Algorithmen“, die mit dem Lesen, Schreiben oder Lagern von Daten oder dem Kalkulieren mit Zahlen zu tun haben, patentiert werden können. Das hatte enorme technische und ökonomische Bedeutung – heute gibt es zehntausende solcher Patente –, regte aber außerhalb der Zunft niemanden weiter auf.

Das war ganz anders – auch Anfang der 1980er – bei der Sache „Diamond v. Chakrabarty“, die zum ersten Patent auf Leben führte: Der Mikrobiologe Chakrabarty baute 1972 Bakterien mit den Mitteln der neuen Gentechnik so um, dass sie beim Entfernen von Ölteppichen helfen konnten. Dafür wollte er Patente, für die Methode und für die Produkte, die veränderten Bakterien. Ersteres gewährte das Patenamt, Letzteres lehnte es ab, der Fall ging durch die Instanzen. Am Ende entschied das Höchstgericht auf Patentierbarkeit, es begründete mit dem Satz vom Menschengemachten.

Der kam auch beim nächsten Schritt zum Tragen: 1988 wurde in den USA das erste gentechnisch veränderte Tier patentiert, die „Harvard Mouse“. Und dann kam endlich, was die größten Auseinandersetzungen auslöste und nächste Woche zur Entscheidung steht: 1998 erhielt die Firma Myriad Patente auf zwei Gene bzw. Genvarianten des Menschen – BRCA1 und BRCA2 –, die das Risiko von Brust- und Gebärmutterkrebs erhöhen. Die Firma entwickelte einen Test, wollte aber nicht nur den patentieren lassen, sondern auch die Menschengene selbst.
Rasch bildete sich eine breite Front, Forscher fürchteten um ihre Forschungsfreiheit – Lizenzgebühren für Arbeiten an BRCA? –, Ärzte um ihre Patientinnen, und die Konkurrenz war ohnehin wach: Myriads Ansprüche waren so umfassend, dass man kaum einen anderen BRCA-Test entwickeln konnte. Der Fall wird nun entschieden, und in Science bereitet Genetiker Robert Cook-Deegan (Duke) darauf vor, dass das Patentieren von nacktem Leben bald ein Ende haben könnte (338, S. 745). Manches deutet darauf hin, dass das Gericht die Ansicht des US-Justizministeriums teilt: „DNA, die nur aus dem menschlichen Körper isoliert und nicht weiter verändert oder manipuliert wurde, ist nicht patentfähig“, denn sie ist „ein Produkt der Natur“, auch wenn der Mensch sie isoliert hat. Man könne auch Kohle nicht patentieren, nur weil man sie „aus der Erde holt“.

Grenze zwischen Erfindung und Entdeckung


Das ist der Unterschied zu Chakrabarty und zur „Harvard Mouse“: Myriad will das Patent auf das natürliche Gen und untermauert das damit, dass DNA ihre Sequenz in der Natur nicht vorliest, das hat erst Myriad geleistet. Ob man damit durchkommt, ist zweifelhaft, denn theoretisch ist klar: Patentiert werden kann nur Erfundenes, nicht Gefundenes, das ist die Basis jedes Patentrechts. Fast: Just in den USA ist die Grenze seit 1952 verwischt, deshalb ging auch schon ein Patent auf ein chemisches Element durch, Americium. „Wenn das Gericht die Unterscheidung zwischen Erfindung und Entdeckung wiederbelebt“, schließt Cook-Deegan, „dann wird die ganze Patentrechtsprechung umgedreht.“ Auf tausende Gene gibt es schon Patente.

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