Gerade jetzt ist für jeden die beste Zeit da

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Wir alle leben in der „End of History Illusion“: Wir glauben, dass wir uns nicht mehr ändern.

Wer gerade sein Leben bedacht hat, der mag von Zukunftssorgen geplagt worden sein, aber der Blick zurück hat Zuversicht gegeben: Man hat seinen Platz im Leben gefunden, die Fehler sind gemacht, die Sünden begangen, aber man hat nach Kräften korrigiert, ist gereift und jetzt auf einem Stand, auf dem man künftig bleiben wird. Das ist natürlich eine etwas verrückte Sicht, und das Verrückteste daran ist, dass jeder sie teilt, ganz gleich, in welchem Alter er ist, ob halbwüchsig oder Greis. Zu dem Befund kam Harvard-Psychologe Timothy Wilson, der 19.000 Testpersonen rekrutierte – über eine TV-Show – und in Tests ihre Sicht des Lebens erhob.

Im Grunde ist es immer darum gegangen, wie viel sich in den letzten zehn Jahren verändert hat und wie viel sich in den nächsten zehn Jahren ändern wird. Die Teilnehmer waren zwischen 18 und 68 Jahren alt, aber bei den Antworten zeigte sich kein Unterschied: In den letzten zehn Jahren hatten sich die Personen stark gewandelt, in den nächsten zehn werden sie es nach eigenem Erwarten nicht tun (Science, 339, S. 96). Diese „End of History Illusion“ geht so weit, dass Menschen viel Geld dafür bezahlen würden, ein Konzert ihrer heutigen Lieblingsband in zehn Jahren zu besuchen – nicht, weil sie dann noch leben, sondern, weil diese Band dann immer noch ihr Liebling sein wird. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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