Wann und wie die Saurier gingen und die Säuger kamen

(c) Carl Buell
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Die Hypothese vom „Giant Impact“ ist bestätigt, und die Nachfolger der Ausgestorbenen entwickelten erst danach ihre Vielfalt.

Vor 66.038.000 Jahren kam der große Schlag, dem wir unsere Existenz zu verdanken haben, vielleicht war es auch 5500 Jahre früher oder später: Da raste ein zwölf Kilometer großer Gesteinsbrocken mit 20 Kilometer pro Sekunde bei Chicxulub vor Yucatan in die Erde und setzte eine Milliarde Mal so viel Energie frei wie die Bombe von Hiroshima. Ende der 1990er-Jahre fand man den Krater – 180 Kilometer Durchmesser, 30 Kilometer Tiefe –, damit war die Hypothese vom „Giant Impact“ bestätigt: Er beendete die Kreidezeit und mit ihr die Herrschaft der Saurier. Nun konnten die Säugetiere übernehmen und die frei gewordenen Nischen besetzen.

So das grobe Bild, aber in seinen Details stecken gleich zwei Teufel. Zum einen hat man hinter dem Massensterben lange etwas anderes vermutet, Vulkanismus: In Indien spien über Millionen Jahre immer wieder die „Deccan Trapps“, auch vor dem Ende der Saurier waren sie aktiv. Erst in den 1980er-Jahren kam die Hypothese vom Impakt, es gab heftige Auseinandersetzungen. Heute dominiert diese Vorstellung zwar, es tauchen aber immer wieder Zweifler auf, für die das Massensterben vor dem Impakt kam, Greta Keller (Princeton) sieht es 300.000 Jahre früher stattfinden, Paul Rene (Berkeley) 180.000.

Er hat nun noch einmal datiert, und jetzt passt alles zusammen: „Die Ereignisse waren synchron, der Impakt war mit Sicherheit der letzte Schlag.“ (Science 339, S. 684) In der Formulierung steckt ein Kompromissangebot: „Es war vermutlich nicht der Impakt allein“, die Saurier waren durch andere Umweltereignisse schon geschwächt.

Damit könnte der Streit beendet sein, und in einem zweiten winkt auch Friede, in dem der Nachfolger der Saurier. Seit wann gibt es Säugetiere, und seit wann gibt es ihre heutige Vielfalt, 5100 Arten, vom 70-Tonnen-Wal bis zur 1,5-Gramm-Fledermaus?

Die Plazentatiere, ein „explosives Modell“

Säuger gab es schon zu Zeiten der Saurier, aber sie waren wenige und klein, das zeigen die Fossilien. Erst nach dem Ende der Saurier häufen sich die Funde, aber diese Säuger waren Beuteltiere. Die heute vorherrschenden Plazentatiere – bei denen die Mütter die Kinder im Körper austragen – kamen vor 55 Millionen Jahren, auf einen Schlag, so vermutet es das „explosive Modell“.

Das ist das Bild, das die Fossilien bieten. Auf ganz andere Zeiträume deuten die Gene heutiger Säuger: Ihnen zufolge entwickelte sich die Vielfalt viel früher, in der „Revolution der Kreidezeit“ vor etwa 100 Millionen Jahren. Damals driftete der Superkontinent Pangaea auseinander, das bot neue Habitate.

Die beiden Lager stritten so heftig wie die Impakt/Vulkan-Verfechter. Aber einige taten sich zusammen – zum Konsortium „Assembling the Tree of Life“ – und glichen Daten der Gene mit denen der Morphologie ab. Auch aus Letzteren kann man Stammbäume ableiten, und aus ihnen das Alter. Das läuft weithin über „Geisterlinien“: Die Lemuren auf Madagaskar etwa haben keine Fossilien hinterlassen, sondern nur bis zu 12.000 Jahre alte Knochen. Sind sie also nur 12.000 Jahre alt? Nein, sie haben Verwandte, die Fossilien hinterlassen haben – 39 Millionen Jahre alte – und aus dem Vergleich der Morphologien kann man schließen, wann die Lemuren sich von ihnen trennten, vor 40 Millionen Jahren.

Auf diesem Weg hat die Gruppe um Maureen O'Leary (Stony Brook) nun die Entstehung der Plazentatiere rekonstruiert (Science, 339, S. 662): Unser erster Ahn, ein mauskleiner Insektenjäger, der längst ausgestorben ist, tauchte 200.000 bis 400.000 Jahre nach dem Ende der Saurier auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2013)

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