Können Pflanzen rechnen, und das mitten in der Nacht?

Koennen Pflanzen rechnen
Koennen Pflanzen rechnen (c) APA (Barbara Gindl)
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Bei der Vorratshaltung helfen sich Pflanzen mit Dividieren. Das ist zwar nur eine Hypothese, aber Experimente stützen sie.

Wenn es Nacht wird, legen Pflanzen sich nicht schlafen, im Gegenteil, sie werden aktiver. Zum einen wachsen sie weiter, zum anderen brauchen sie dabei Bedacht: Sie müssen mit ihren Vorräten haushalten, den Kohlenhydraten, die sie den Tag über in der Fotosynthese erzeugt (und vor allem in der Form von Stärke eingelagert) haben. Die Produktion kann erst mit dem Sonnenlicht wieder angeworfen werden, bis dahin muss der Vorrat reichen. Pflanzen folgen dieser Logik, das zeigt die häufig in Labors erkundete Arabidopsis: Am Ende der Nacht hat sie die Stärke zu 95 Prozent verbraucht.

Aber woher sollen Pflanzen wissen, wie viel sie auf Vorrat haben? Sie müssen es irgendwie messen. Und woher sollen sie wissen, wie lange die Nacht noch ist? Das zeigt ihre innere Uhr („circadian clock“), sie ist auf die Länge eines Tages geeicht. Und sie spielt mit beim Abbau der Vorräte: 24 Stunden nach dem letzten Sonnenaufgang ist die Stärke weg, und zwar auch dann, wenn man die Tageslänge experimentell verändert, auf 28 oder 17 Stunden. Pflanzen bleiben bei 24 Stunden, Alison Smith (Norwich) hat es früher gezeigt (Pnas, 107, S.9458).

Vorrat geteilt durch Zeit

Allerdings fiel in dem Experiment auch auf, dass künstliche Dunkelheit während des hellen Tages – also verringerte Fotosynthese – keine Rolle spielt. Egal, wie viel Stärke am Abend da ist, sie wird verbraucht. Also muss der Stand des Vorratslagers immer bekannt sein. Dann können Pflanzen rechnen, dividieren, vermutet Smith nun: Es brauchte zwei Moleküle, eines für die Zeit (T wie „time“), eines für die Stärke (S wie „starch“). Dann ist die Rate des Stärkeverbrauchs gleich S geteilt durch T. Das ist reine Hypothese – man weiß nicht, ob S und T existieren –, aber in Computermodellen rechnet es sich. Und Experimente sind damit kompatibel: Wenn die Nacht durch künstliches Licht unterbrochen wird – und wieder Stärke produziert wird –, sollte der Hypothese zufolge dieses Mehr in der anschließenden Dunkelheit auch mitverbraucht werden, der Gesamtverbrauch also steigen. Er tut es auch (eLife, 25.6.).

Kalkulieren Pflanzen wirklich so? Smith geht weiter und vermutet das Rechnen überall am Werk, wo mit Vorräten umgegangen werden muss, bei Zugvögeln etwa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)

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