Originalersatzteile, frisch vom Schwein?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein japanischer Forscher will embryonale Stammzellen von Menschen auf Schweine übertragen. Dort sollen sie sich zu Zellen und Geweben entwickeln, die dann als Transplantate genutzt werden können.

Stellen Sie sich vor, sie hätten ein Stück Schwein im Leib! Nicht eines, das sie gerade verzehrt haben und das nun durch Ihre Gedärme wandert! Sondern eines, das immer in Ihnen ist, als Transplantat, Herz etwa oder Niere! Von der Größe her würde das passen – Schweine und Menschen unterscheiden sich in dieser Hinsicht kaum –, und vielleicht wäre auch psychisch leichter damit umzugehen als mit dem Wissen, dass Sie Ihr Leben dem Unfalltod eines jungen Discobesuchers in der Samstagnacht verdanken und dass Sie lange darauf gewartet haben, nicht auf den Tod, auf das Transplantat.

Aber ginge es überhaupt, technisch? Das große Transplantieren begann in den 1960er-Jahren, bald wurden die Spender knapp. Man wich aus, auf Herzen und Nieren von Schimpansen, musste aber abbrechen, die Patienten starben an „hyperakuter Zurückweisung“, ihr Immunsystem tötete die Transplantate. Erst Ende der 80er hatte man Mittel, die das Immunsystem so stark unterdrückten, dass man einen zweiten Anlauf wagte, nicht mit Organen, sondern mit Zellen, Hirnzellen, sie kamen wieder von Schimpansen, man wollte Parkinson-Patienten helfen. Man musste wieder abbrechen, gerade war HIV auf Menschen gekommen, und zwar von Schimpansen, das konnte man mit Transplantaten nicht riskieren.

Tücken der Xenotransplantation

Deshalb wandte man sich Tieren zu, die einfacher zu halten sind und zudem nicht so eng mit uns verwandt, was ethische Bedenken mildert: Schweine. Damit schien die Tür zur Xenotransplantation – dem Verpflanzen von Zellen/Geweben über Artgrenzen hinweg – aufgestoßen, um die Jahrtausendwende wurde viel publiziert: Auch Gewebe von Schweinen lösen „hyperakute Zurückweisung“ aus. Es liegt an Zuckern in der Zellmembran, die das Immunsystem als fremd erkennt. Also wollte man die Zucker gentechnisch ausschalten. Das zweite Problem liegt darin, dass auch Schweine Viren in sich tragen, die nicht auf Menschen kommen dürfen. Also wollte man Schweine züchten, die diese Viren nicht haben.

Irgendetwas muss schiefgegangen sein, von dieser Variante der Xenotransplantation hat man lang nichts gehört. Nun kommt eine andere ins Spiel, sie wurde von Hiromitsu Nakauchi (Tokio) ersonnen und will den Gegenweg einschlagen: In Schweinen sollen keine Schweineorgane wachsen, sondern Menschenorgane. Und wachsen sollen sie aus embryonalen Stammzellen (ES) oder induzierten pluripotenten Stammzellen (ipS). Beides sind Alleskönner, die zu jedem Zelltyp werden können. Aber Organe werden im Labor bzw. in der Petrischale nicht so einfach daraus, dafür braucht es die richtige Umgebung, die eines Körpers.

Der kann auch der Körper einer anderen Art sein, Nakauchi hat es 2010 gezeigt. Er hat ES von Ratten auf Mäuse übertragen, bei denen er zuvor die Bildung der Bauchspeicheldrüse gentechnisch ausgeschaltet hatte. In dieser Nische bildeten sich Rattenbauchspeicheldrüsen. Also könnten sich auch in Schweinen Menschenbauchspeicheldrüsen bilden, wenn man ES des Menschen implantiert und zuvor die Bildung der Schweinebauchspeicheldrüse verhindert?

Kein Menschenhirn im Schweinekopf!

In Japan konnte Nakauchi es bisher nicht testen, die Gesetze verbieten es, Chimären – Mischungen aus Mensch und Tier – länger als 14Tage am Leben zu erhalten. Dieses Verbot soll aufgehoben werden, der japanische Ethikrat empfahl es gerade, und die Regierung folgt für gewöhnlich (Science, 340, S.151). Aber erst nach einem Jahr, das dauert Nakauchi zu lange, er weiß, dass ihm die Konkurrenz in China auf der Spur ist. Deshalb will er nach Kalifornien ausweichen, in den USA sind Chimären nicht verboten. Allerdings hat die US-Akademie der Wissenschaft dringlich empfohlen, keine Mischwesen zu bauen, bei denen sich Menschenhirne in Tierschädeln bilden können. Nakauchi sieht darin kein Problem: Er will den embryonalen Stammzellen einen Selbstmordmechanismus einbauen, der dann greift, wenn die Zellen sich ganz unerwartet zu Hirnzellen entwickeln.

Xenotransplantation

Über die Artgrenzen hinweg will die Xenotransplantation Zellen (etwa für das Gehirn) oder Organe wie Herzen oder Nieren verpflanzen. Technisch bringt das vor allem zwei Probleme: Das eine steckt im Namen, „xeno“ kommt vom griechischen „fremd“, und was vom Immunsystem als körperfremd erkannt wird, wird bekämpft und abgestoßen. Zudem könnten mit Organen auch Krankheiten über die Artgrenzen transferiert werden.

Ins Stocken geraten ist deshalb wohl der Versuch, Organe von Schweinen auf Menschen zu übertragen. Deshalb will man nun den umgekehrten Weg gehen und Organe von Menschen in Schweinen heranziehen, aus embryonalen Stammzellen. Aus ihnen können alle anderen Zellen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2013)

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