Angst wegschlafen oder umgekehrt durch Schlafentzug mildern?

Angst wegschlafen
Angst wegschlafen (c) Clemens Fabry
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Im Schlaf verstärken wir Erinnerungen, auch böse. Aber die konnten in einem Experiment auch im Schlaf ausradiert werden.

Braucht man, um Ängste und Traumata loszuwerden, einen Analytiker und seine Couch? Vielleicht reicht das eigene Bett und ein kurzer, nicht zu tiefer Schlaf, so 40 Minuten ohne die Schlafphase, in der wir träumen und die Augen rollen („rapid eye monement“, REM). So lange durften und mussten Testpersonen im Labor von Katherina Hauer (Chicago) schlafen, man hatte sie dieser Fähigkeit wegen rekrutiert: Sie mussten mitten am Tag schlafen, und das gut, denn der Schlafplatz war eine dieser sargähnlichen Röhren, in denen mit Magnetresonanz sichtbar gemacht wird, was im Gehirn vor sich geht.

Zuvor, im Wachen, war Angst in die Gehirne gebracht worden, durch klassisches Pawlow'sches Konditionieren: Die Probanden hatten leichte Elektroschocks erhalten, als sie Fotos von zwei Personen betrachteten und zugleich unterschiedliche Düfte wahrgenommen, Minze oder Zitrone etc. Dabei war ihnen der Schweiß ausgebrochen, man konnte es messen. Das konnte man auch, wenn die Testpersonen im Schlaf den gleichen Duft wahrnahmen, als sie den Elektroschock erlitten. Wenn der aber nicht kam, verlor sich die Angst – auch nach dem Erwachen –, und die Aktivitäten des Gehirns wurden dort anders, wo die Angst sitzt, in der Amygdala (Nature Neuroscience, 22.9.).

Das Experiment hat zwar mit der Entstehung realer Ängste – ob nun vor Spinnen oder sonst etwas – wenig zu tun, aber es imitiert die Therapie: Angstgeplagte werden, gut begleitet, in die angstauslösende Situation gebracht, ihr Bewusstsein wird damit konfrontiert, wieder und wieder, angenehm ist das nicht. Das ist bei Hauer anders, deshalb hofft sie, ihre Kur zur Therapie entwickeln zu können. Aber wie diese Kur überhaupt wirkt, ist rätselhaft: Im Schlaf gehen wir den Tag noch einmal durch, dann werden Erinnerungen verfestigt – verfestigt, nicht geschwächt. Das zeigte sich gerade auch in Experimenten mit konditionierter Angst, die Jan Born (Tübingen) ausgeführt hat (Neuroimage, 75, S.87): Die Angst verfestigte sich im Schlaf und blieb bei den Testpersonen geringer, die im Labor nicht schlafen durften.

Möglicherweise löst sich die Paradoxie dadurch, dass die Probanden in Hauners Experiment, die im Labor schliefen, das tief und lang taten – und die Erinnerung in den REM-Phasen verstärkt hatten. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2013)

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