Wie es Österreichs Science-Diaspora in den USA geht

Silicon Valley
Silicon Valley(c) REUTERS (ROBERT GALBRAITH)
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Die USA sind für viele Wissenschaftler ein Dorado: Sie schätzen die guten Arbeitsbedingungen. Streiflichter von einem Besuch bei der österreichischen Forscher-Community in den USA.

Dass ein Forscherleben in den USA einfach ist, behauptet niemand. „Die Leute hier arbeiten sehr viel: täglich zwölf bis 16 Stunden, sieben Tage in der Woche sind ganz normal“, erzählt der Wiener Stammzellenforscher Dominik Duscher, der derzeit an der Stanford University in Kalifornien an seiner Dissertation arbeitet. Dass er nach dem abendlichen Gespräch in einem Lokal in Palo Alto wieder zurück in sein Labor musste, stört ihn aber sichtlich nicht: Denn dort findet er die Bedingungen vor, die er sich für seine Forschung wünscht. In Wien, so erläutert er, gebe es kaum medizinische Grundlagenforschung, und Forschungsmittel seien für Studenten kaum zugänglich.

Ganz anders in den USA: „Man ist sehr früh eigenverantwortlich und unabhängig“, erzählt Harald Ott, der an der Harvard Medical School ein Labor für Organregeneration leitet. „Ich habe vom ersten Tag an Anträge für Forschungs-Grants geschrieben.“ Ott wurde vergangenes Wochenende in Los Angeles mit dem „Principal Investigator Award“ ausgezeichnet. Dieser wird vom Netzwerk „Austrian Scientists and Scholars in North America“ vergeben, er ist mit 10.000 Euro vom Wissenschaftsministerium dotiert, juriert wird er vom Wissenschaftsfonds FWF.

In Ascina sind rund 1000 österreichische Forscher vernetzt; wie viele insgesamt in Nordamerika tätig sind, weiß niemand, es gibt keine Meldepflicht, vorsichtige Schätzungen sprechen von 2000 bis 3000 österreichischen Wissenschaftlern. Am Office of Science & Technology Austria (Osta) in Washington sind aktuell 963 erfasst.

Den ebenfalls mit 10.000 Euro dotierten Ascina-„Young Scientist Award“ erhielt der Physiker Michael Grünwald, der an der University of California in Berkeley an Nanokristallen forscht. „Dort herrscht ein fantastischer Spirit“, schwärmt er. Es gebe zwar auch in Österreich hervorragende Forschungsgruppen – aber ein Konglomerat aus zehn exzellenten Gruppen wie in Berkeley sei etwas Besonderes. In den USA sei das Forscherleben zwar „sehr kompetitiv“, aber man habe auch Zugang zu Topinfrastruktur.

Die Wissenschaftler schätzen das Umfeld in den USA also sehr, dennoch haben sie ihre Beziehung zur Heimat nicht verloren: Ott hat sich kürzlich an der Medizin-Uni Wien habilitiert – „das war für mich emotional wichtig“. Duscher sagt klar, dass er nach Österreich zurückwill. Und Grünewald ist seit Kurzem zurück an der Uni Wien.


„Die Welt verändern.“ Andere Forscher haben sich indes fest in den USA etabliert. Etwa Fritz Prinz, Professor an der School of Engineering in Stanford, der an neuen Materialien und Methoden zur effizienten Umwandlung und Speicherung von Energie forscht. Interessant an seiner Wirkungsstätte sei die Tradition, dass die Professoren von den Studenten stets herausgefordert würden. „Unsere Studenten denken gern: ,Wie können wir die Welt verändern‘“, erzählt er. Sowohl Professorenschaft als auch Studenten sind handverlesen: Von gut 30.000 Bewerbern werden jedes Jahr 1700 aufgenommen; auf jede Ausschreibung eines Assistant Professor bewerben sich 150 bis 300 Forscher. Fritz macht deutlich, dass er nicht aus Stanford wegzugehen gedenkt, auch wenn er weiterhin Kontakte nach Österreich hat – „ich kenne die Wiener Haxlbeißerei gut“.

Für eine andere Gruppe vom Wissenschaftlern ist eine Rückkehr noch unvorstellbarer: für jene Generation, die vor Faschismus und Nationalsozialismus fliehen mussten. Einer von ihnen ist Walter Kohn (90), Chemienobelpreisträger 1998, dessen Eltern von den Nazi ermordet wurden. „Ich habe in den paar Monaten, in denen ich unter den Nazis gelebt habe, so viel erlebt, dass ich nicht in Wien leben könnte, ohne dass ich daran erinnert würde“, erzählte er am Rand des „Austrian Science Talk“ vergangenes Wochenende in Santa Monica. Dass er trotzdem zu dieser Veranstaltung gekommen ist, die vom Osta, also vom offiziellen Österreich, organisiert wurde, ist den Teilnehmern am „Solar Decathlon“ geschuldet: Kohn hat mit seinem Freund Mischa Seligmann – einem Neffen von Arnold Schönberg – ein paar Tage zuvor diese „Weltmeisterschaft“ für Ökohäuser besucht. Wie berichtet, hat das Studententeam von TU Wien, FH St. Pölten und FH Salzburg mit dem Solarhaus „Lisi“ gewonnen. „Ich habe beim Decathlon wunderbare junge Leute aus Österreich kennengelernt, die haben mitermöglicht, dass ich hier bin.“

Gekommen zum Austrian Science Talk, der heuer zum zehnten Mal stattfand, ist eine hochkarätige Delegation aus Österreich – „als Zeichen der Wertschätzung für die Science-Diaspora“, so Osta-Leiter Philipp Marxgut – sowie rund 100 österreichische Wissenschaftler in Nordamerika: neben Kohn und dem 96-jährigen legendären Ozeanografen Walter Munk vor allem junge Forscher, die sich über die Situation in Österreich informieren wollten.

„Wir sind stolz darauf, dass Sie hier in den USA erfolgreich sind, und würden uns auch freuen, wenn Sie zurückkehren könnten“, sagte Hannes Androsch, Vorsitzender des Forschungsrates. „Aber wir müssen die Möglichkeiten dafür schaffen.“ Die Fakten, die die österreichische Delegation mitbrachte, waren denn auch nicht allzu ermutigend. Androsch erwähnte das mangelhafte Bildungssystem und die „heillos unterfinanzierten“ Universitäten. Die neue FWF-Präsidentin, Pascale Ehrenfreund, beklagte, dass Österreich das wissenschaftliche Potenzial nicht ausschöpfe und der FWF auch sehr gute Projekte ablehnen müsse. Edeltraud Stiftinger, Geschäftsführerin der Austria Wirtschaftsservice (AWS), sprach den Nachholbedarf Österreichs beim Unternehmergeist („entrepreneurial spirit“) und die fehlende Kultur des Scheiterns an (siehe Artikel unten).

Es gab aber auch positivere Nachrichten: Barbara Weitgruber, Sektionschefin im Wissenschaftsministerium, betonte, dass in den nächsten Jahren 400 bis 500 Professuren an Österreichs Unis ausgeschrieben würden – eine große Chance für Forscher mit Auslandserfahrung. Ingolf Schädler, Technologieexperte aus dem Infrastrukturministerium, verwies auf den hohen Standard, den Österreich etwa in der Energie- oder der Mobilitätsforschung erreicht habe – siehe den Sieg im „Solar Decathlon“. Die angereisten Vertreter von Universitäten – die Vizerektoren Karin Gutiérrez-Lobos (Med-Uni Wien) und Johannes Fröhlich (TU Wien) sowie Donau-Uni-Krems-Rektor Friedrich Faulhammer – vertraten einhellig die Ansicht, dass der Start einer wissenschaftlichen Karriere einfacher geworden sei, es aber schwierig sei, eine Laufbahnstelle zu ergattern.


Mentale Infrastruktur. In der angewandten Forschung ist die Lage nicht schlecht: Arno Rettenbacher, Forschungschef bei Swarovski (selbst ein Rückkehrer aus den USA), berichtete von sehr guten Chancen bei Führungspositionen in der Industrie. Auch das Austrian Institute of Technology (AIT) ist auf Wachstumskurs, laut AIT-Chef Wolfgang Knoll werden in den nächsten Jahren 150 Experten gesucht.

Was den österreichischen Forschern in den USA – die mehrheitlich aus den Life Sciences kommen – Sorgen macht, ist die Situation an den Medizin-Unis. Dietrich Haubenberger, ein kürzlich aus den USA zurückgekehrter Neurologe, formulierte es so: „Die Arbeitsbedingungen für die klinische Forschung sind in Österreich eher prekär: Wir leiden unter der Primärversorgung.“ In den USA hingegen sei die Aufteilung zwischen Forschung und Klinik genau definiert. Aber auch in dem USA sei die Lage schwierig: Vor allem die Finanzierung durch staatliche Agenturen wie das NIH stehe momentan auf wackeligen Beinen.

Einig war man sich, dass mehr getan werden müsse, um österreichischen Forschern im Ausland ein besseres Angebot zu machen – etwa durch die Einrichtung von Rückkehr-Grants. Androsch rief jedenfalls zu Optimismus auf: Es brauche zwar mehr Geld sowie eine Aufrüstung der „mentalen Infrastruktur“ (etwa Pioniergeist oder Fehlerkultur). „Die jungen Leute beim ,Solar Decathlon‘ haben aber gezeigt, dass wir es können.“


„Die Presse“ nahm an der Studienreise nach Kalifornien auf Einladung des Forschungsrates teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

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