Synthetische Biologie: Neuer Anlauf zum Umbau des Lebens

Synthetische Biologie
Synthetische Biologie(c) EPA (Ho)
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Könnte man Menschen mit Mitteln der Gentechnik einen Schutz vor allen Viren verleihen? Bei Bakterien funktioniert etwas Ähnliches – durch das gezielte Umschreiben ihres Genoms.

Kann man durch Herumbasteln an Genen die Welt verbessern, Krankheiten besiegen, das Klima retten? Mit der Hoffnung auf das Abschaffen von Leiden trat Ende der 80er-Jahre die Gentherapie an, es ging um genetisch verursachte Krankheiten. Die wollte man dadurch beheben, dass man fehlerhafte Gene durch gesunde ersetzt. Das ist bis heute trotz tausender Versuche nur marginal gelungen, Ende der 90er-Jahre gab es einen Toten – Fremdgene finden schwer an ihren rechten Ort, sie werden wohl auch vom Körper abgewehrt –, die Gentherapie zog sich weithin in die Grundlagenforschung zurück.

Dort war ihre zweite mögliche Anwendung gar nicht herausgekommen, zumindest am Menschen. Dabei geht es nicht um das Heilen lebender Körper („somatische Gentherapie“), sondern um den Schutz kommenden Lebens, man wollte Fremdgene in Sperma- und/oder Eizellen einbringen. Aber diese „Keimbahntherapie“ weckte zu starke Ängste vor dem „Menschen nach Maß“.

So drängte sich die Verbesserung der Umwelt vor, mit größeren Ambitionen: Es sollten nicht einzelne Gene verschoben werden, man wollte ganze Genome neu bauen. Diese „synthetische Biologie“ wurde am lautstärksten von Craig Venter vorangetrieben – dem „Gen-Hexer“, der im Alleingang das Humangenom so rasch sequenziert hatte wie die restlichen Genetiker der Erde zusammen –, ihm schwebten künstliche Bakterien mit ganz neuen Eigenschaften vor, sie sollten etwa das Treibhausgas CO2 aus der Luft holen.

Das ist ihm 2008 insoweit gelungen, als er ein Genom eines natürlichen Bakteriums im Labor nachbauen konnte. Seitdem hat man nichts mehr gehört, es mag mit daran liegen, dass Leben nicht nur aus Genomen besteht, sondern aus ganzen Zellen, und deren Synthese traut sich nicht einmal Venter zu.

„Genomically recoded organisms“

Deshalb setzt die nächste Runde wieder auf natürliche Zellen. Aber nun sollen nicht Fremdgene in sie hinein, wie die Gentechnik das an ihren Anfängen tat, als man „genetically modified organisms“ baute, GMOs (Kritiker lasen das „M“ als „manipulated“). Diesmal geht es um GROs, „genomically recoded organisms“: Bei ihnen will man natürliche Genome umschreiben. „Man“ ist vor allem George Church (Harvard), der neue Star der Zunft, wortgewaltig wie Venter, 2012 publizierte er das Buch „Regenesis: How Synthetic Biology Will Reinvent Nature and Ourselves“. Den Anfang der neuen Schöpfung hat er nun mit Kolibakterien getan, deren Genom er überall dort umschrieb, wo ein bestimmtes Codon stand. Ein Codon ist ein dreiteiliger Block von Nukleinsäuren – aus ihnen bestehen Gene –, und je nachdem, welche drei Nukleinsäuren einander wie folgen, sorgt das Triplett für die Produktion einer bestimmten Aminosäure, aus denen bestehen Proteine. Also hat Church das seltenste Codon von Kolibakterien an all seinen 321 Orten ausgeschaltet und durch ein Codon ersetzt, das es in der Natur nicht gibt (Science, 333, S.357).

Also produzierten die Bakterien auch eine Aminosäure, die es in der Natur (bzw. im Genom) nicht gibt. Damit, das war der erste Zweck der Übung, wurden die Bakterien weniger angreifbar für Bakteriophagen. Die attackieren Bakterien wie Viren uns, sie docken an ein Protein an, damit machen sie Probleme etwa in der Pharmaindustrie, die mit Bakterien arbeitet. Deshalb will Church diese Bakterien „von der Natur abkoppeln“, gänzlich, in einem zweiten Experiment hat er mehrere Codons zugleich umgeschrieben.

Natürlich reichen die Pläne viel weiter: Man könnte, große Perspektive schon in „Regenesis“, auf dem gleichen Weg Menschen virenfest machen. Allerdings weiß Church, dass das Umschreiben von Genomen für Zellen auch „tödlich“ enden könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2013)

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