Neue Eigenschaften für herkömmliche Kunststoffe

Crocs - bunte Schuhe aus Kunststoff
Crocs - bunte Schuhe aus KunststoffClemens Fabry
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Die Funktionalisierung eröffnet Polymeren völlig neue Einsatzgebiete – etwa in der Medizin.

Ziemlich unabhängig von der Wirtschaftskrise wächst der Kunststoffsektor weltweit ungebremst – aktuell um drei bis vier Prozent pro Jahr (woran auch das diskutierte Plastiksackerl-Verbot in der EU nichts ändern dürfte, da dieser Bereich nur einen minimalen Bruchteil der gesamten Kunststoffmengen ausmacht). Ein Grund für das Wachstum ist, dass sich Kunststoffe immer weitere Einsatzbereiche erobern – u.a. deshalb, weil die Eigenschaften der Polymere sehr gezielt steuerbar sind und sie daher andere Materialien (etwa schwerere Bleche in Flugzeugen) ersetzen können.

Einen Boom erlebt derzeit die gezielte Funktionalisierung von Kunststoffen – ein Thema, das diese Woche im Zentrum des H.-F.-Mark-Symposiums stand, zu dem alljährlich das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) lädt. Dabei wurde u.a. das Projekt BiKoPla vorgestellt. Das Kürzel steht für „Biozide Kunststoffoberflächen mittels Plasmaabscheidung“, gefördert von der FFG im Rahmen des COIN-Programms kooperieren dabei Experten des OFI, der FH Oberösterreich und des Transfercenters für Kunststofftechnik (TCKT) Wels.

Vor allem in der Medizin, aber auch in der Lebensmittelindustrie oder für Trinkwasserrohre sind Werkstoffe erwünscht, auf denen sich keine Mikroorganismen anlagern und vermehren können. Herkömmlicherweise wird das durch biozide Substanzen erreicht, die in den Kunststoff eingebunden sind. Der Nachteil dabei ist, wie der technische OFI-Geschäftsführer Dietmar Loidl erläutert, dass diese Substanzen die Tendenz haben, an die Oberfläche zu wandern und sich dort zu verflüchtigen oder z.B. in das Füllgut oder in die Haut einzudringen. Um wenig besser sind aktuelle Versuche mit silberhaltigen Substanzen: Diese sind nicht nur giftig, sie stehen auch im Verdacht, die Bildung von resistenten Keimen zu begünstigen.

Im BiKoPla-Projekt will man durch die Kombination von zwei Effekten einen Schritt weiter kommen: In einem Plasmaprozess werden Metalloxide in einer dünnen wasserabweisenden (hydrophoben) Bindemittelschicht aufgebracht – dadurch können sich zum einen keine Bakterien an der Oberfläche festsetzen, zum anderen werden sie von Metallionen abgetötet, die weniger giftig sein sollten als Silber. Getestet wird nun z.B., wie lang solche Schichten halten und die gewünschte Hygiene gewährleisten.

Apropos: In einem weiteren COIN-Projekt entwickeln OFI-Forscher gemeinsam mit Partnern innovative Hygienekonzepte für Gesundheitseinrichtungen. Derzeit sind Desinfektionsmittel und Sterilisationsverfahren für medizinische Geräte aus Metall, Glas oder Keramik optimiert – „für organische Materialien sind sie zu scharf, sie verkürzen deren Lebensdauer“, so Loidl.

Die Funktionalisierung von Kunststoffen geht freilich weit über die Hygiene hinaus: Einen Boom erleben derzeit z.B. aktive oder intelligente Verpackungen, die die Qualität des Füllgutes gezielt erhalten (etwa indem Sauerstoff gebunden wird) bzw. unerwünschte Veränderungen (etwa ein Durchbrechen der Kühlkette) anzeigen.

Zum Institut

Das OFI (Österr. Forschungszentrum für Chemie und Technik) – ein Institut unter dem Dach von ACR (Austrian Cooperative Research) – beschäftigt sich neben anderen Bereichen seit seiner Gründung vor 60Jahren mit Kunststoffen.

Beim jährlichen
H.-F.-Mark-Symposium – benannt nach einem österr. Chemiker, der in den USA zum Vater der Polymerchemie wurde – wird auch die H.-F.-Mark-Medaille an Persönlichkeiten aus der Kunststoffbranche verliehen, heuer an Gerhard
Eder (JKU Linz)
und Rolf Mülhaupt
(Uni Freiburg).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2013)

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