Neue Voynich-Spur?

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Der Text des mysteriöses Manuskripts bleibt unentzifferbar, doch die Bilder deuten nach Mexiko, sagen Botaniker.

Im Jahr 1912 „stolpert“ der amerikanische Antiquar Wilfrid Michael Voynich in einem italienischen Jesuitenkolleg über ein in unbekannter Schrift verfasstes Manuskript. Ein Jahrhundert später wird das Mysterium dieses „geheimnisvollsten Manuskriptes der Welt“ zwar schon in zahllosen Romanen wie Dan Browns „The Lost Symbol“ und neuerdings beliebten Computerspielen ergründet, sogar Musik wurde darüber komponiert – aber auch wenn die sorgfältigen Zeichnungen auf Naturkundliches und Astronomisches schließen lassen – die Schriftzeichen bleiben unentziffert.

Immerhin weiß man mittlerweile mehr über die Entstehungszeit. Eine Radiokarbonanalyse datiert das verwendete Pergament auf die ersten Jahrzehnte des 15.Jahrhunderts, die Tinte soll nur wenig jünger sein. Auch die Zeichnungen geben Hinweise, so schloss man aus Kleidung, Frisur und anderen Details auf einen Zeitraum zwischen 1450 und 1520, einiges deutet auf Norditalien, wo damals die Kryptologie blühte.

Stammen Pflanzen aus Mittelamerika?

Oder Amerika? Das zumindest behaupten nun zwei US-amerikanische Botaniker, Arthur Tucker und Rexford Talbert. Sie glauben auf den Bildern viele in Mittelamerika beheimatete Pflanzen zu erkennen. Auch ähnle eine Zeichnung frappierend einem Bild im mexikanischen Codex Cruz-Badianus von 1552. Sie zeigt den zwei Botanikern zufolge offenbar einen nahen Verwandten des im mexikanischen Codex gezeichneten mittelamerikanischen Windengewächses Ipomoea murucoides.

Haben die Botaniker recht, dann muss das Voynich-Manuskript nach 1521 entstanden sein, der Eroberung des heutigen Mexikos durch die Spanier. Es könnte trotzdem aus Europa kommen, allerdings müsse der Verfasser „genaue Kenntnisse über die Pflanzen, Tiere und Mineralien von Mexiko und den umliegenden Regionen gehabt haben“.

Die zwei Amerikaner sind nicht die Ersten, die die Pflanzen im Voynich-Manuskript zu identifizieren versuchen. Allerdings ist das bei noch nicht dem wissenschaftlichen Realismus huldigenden alten Handschriften schwer, in diesem Fall besonders. Doch schon vor ihnen war ein US-Botaniker sicher, zwei Pflanzen eindeutig zu erkennen, eine Sonnenblume und eine Art des Spanischen Pfeffers – beide wurden in Europa erst nach der Entdeckung Amerikas bekannt.

Ein Code oder einfach Nonsens?

Die Botaniker hoffen auch, dass die von ihnen identifizierten Pflanzennamen, da die Pflanzen mit Beschreibungen versehen sind, bei der Entschlüsselung der Schrift helfen werden. Sofern es etwas zu entschlüsseln gibt: Linguisten vermuten mittlerweile, dass der Text einfach Nonsens ist. Für eine verschlüsselte natürliche Sprache sei die Abfolge der Wörter zu regelmäßig.

Aber auch wenn das Voynich-Manuskript von einem Witzbold stammt, könnte die Spur nach Mittelamerika helfen, den Verfasser zu identifizieren. Als „heiße Kandidaten“ gelten seit Langem etwa der englische Mathematiker und Mystiker John Dee oder sein Freund, der Alchemist und bekannte Fälscher Edward Kelley. Die nächste Frage wird also wohl lauten: Wie vertraut waren die beiden mit der mittelamerikanischen Flora?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2014)

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