Wie Elefanten einander trösten und Mut machen

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Elefant(c) Elise Gilgricht/Think Elephants International
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Die Rüsseltiere haben Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die man sonst nur von Primaten kennt, mit denen sie nur entlegen verwandt sind. Aber sie haben die gleichen Probleme, müssen ihre Gruppen zusammenhalten. Deshalb haben sie in Ko-Evolution die gleichen Lösungen gefunden. Aber sie haben die gleichen Probleme, müssen ihre Gruppen zusammenhalten. Deshalb haben sie in Ko-Evolution die gleichen Lösungen gefunden.

Wenn ein Elefant Angst bekommt, hebt er den Kopf, die Ohren stellen sich auf, der Schwanz auch, oft reagiert er auch akustisch, mit niederfrequentem Trompeten.“ Das hat Joshua Plotnik (Emory University) oft beobachtet, natürlich haben es Mitelefanten von Verängstigten viel öfter beobachtet. Aber nehmen sie es wirklich wahr, und was tun sie dann, wie reagieren sie?

Elefanten sind gesellig, und sie haben Beobachter oft staunen lassen: Sie stützen Strauchelnde, richten Sterbende auf. Die Berichte sind Legion, aber sie sind „anekdotisch“, nicht systematisch erhoben. Und man weiß nie, was das Auge der Betrachter beigetragen hat: wie antropomorph etwas gesehen wird. Das weiß man nicht einmal bei denen, die uns näherstehen, den Primaten, man weiß es kaum bei uns selbst: In den 50er-Jahren sahen manche die Menschen als „killer apes“, die bevorzugt übereinander herfallen; in den 60er-Jahren verallgemeinerte Konrad Lorenz, das ganze Tierreich sei von Aggressivität beherrscht. Später interpretierte man das als Projektion der Grauen des Zweiten Weltkriegs auf bzw. in die Natur.

Denn dann kam, auch in den 60ern, Jane Goodall, sie sah differenzierter: Sie bemerkte zum einen, dass auch Schimpansen Kriege führen – als Einzige außer uns –, sie ziehen aus und schlagen Nachbarn tot. Auf der anderen Seite aber werden Auseinandersetzungen in den Gruppen oft durch Versöhnung geglättet: Schimpansen gehen aggressiv miteinander um, aber wenn ein Kampf vorbei ist, sorgt die Gruppe dafür, dass die beiden wieder miteinander auskommen, oft eilt auch irgendein Dritter zum Unterlegenen, tröstet ihn, umarmt ihn, legt ihm bisweilen – hoch riskant – einen Finger ins Maul.

Freundschaftssignal: Rüssel ins Maul!

Exakt das hat Plotnik nun bei Elefanten beobachtet, sie stecken anderen zum Mutmachen den Rüssel ins Maul, es ist eine der vielen Gesten, mit denen sie einander über Stress hinweghelfen. Allerdings ist das nur begrenzt mit dem Verhalten der Schimpansen vergleichbar: Bei Elefanten gibt es (fast) keine Aggression in der Gruppe, getröstet und wieder aufgerichtet werden muss einer, der über irgendetwas erschrocken und in Angst geraten ist, über eine Schlange im Gras etwa. – Wichtiger noch ist die zweite Differenz: Elefanten sind keine Primaten – allenfalls denen traute man lange ein komplexes Sozialleben zu –, sie sind ganz andere Entwicklungswege gegangen. Aber sie haben das gleiche Problem wie viele Primaten und die Menschen auch: Sie müssen die Gruppe zusammenhalten. Deshalb sind sie in Ko-Evolution auch auf die gleichen Lösungen gekommen.

Das ist eine alte Idee von Frans de Waal (Emory), er hat schon viel dazu beigetragen, den Abstand zwischen uns und anderen Primaten zu verringern. Er hat es dann auch bei den uns so entfernten Elefanten getan: 2006 hat er gezeigt, das sie sich selbst im Spiegel erkennen. Das ist eine hohe Kunst – außer bei Menschen kannte man sie nur bei Schimpansen, Orang-Utans und Delfinen –, und es ist eine Grundlage des Soziallebens, man muss schließlich wissen, wer man ist.

Töne wie zum Beruhigen von Babys

Und man muss wissen, wer der andere ist – und dass der andere so ist wie man selbst: Man muss sich einfühlen können. Elefanten können es, das hat de Waal nun gemeinsam mit Plotnik gezeigt, der war schon beim Spiegel-Experiment dabei, inzwischen ist er oft in einem Park in Thailand, wo 26 Elefanten (relativ frei) gehalten werden, ein Jahr lang wurden sie systematisch beobachtet (PeerJ 2:e278): Sie standen einander oft bei, eilten zu Verängstigten, nahmen Kontakt auf, mit dem Körper – sie streicheln mit dem Rüssel und demonstrieren mit der Mutprobe, dass sie als Freunde da sind –, auch akustisch: „Dann machen sie Töne, die sie nie machen, wenn sie allein sind, es ist wie bei Menschen, die ein Baby beruhigen“, berichtet Plotnik, der allerdings auch die Schwachstelle der Studie benennt: Wirklich frei leben diese Tiere nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2014)

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