Auch Fische fürchten und flüchten den Tod

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Zebrafische, die bei Aquarianern und Forschern gleichermaßen beliebt sind, bei Letzteren aber nach den Experimenten getötet werden müssen, spüren die Gefahr der verwendeten Chemikalie.

Zebrafische, heimisch in Gewässern Asiens, fließenden wie stehenden, etwa denen überfluteter Reisfelder, erfreuen sich weltweiter Beliebtheit, sie machen optisch eine gute Figur, sind leicht zu halten und vermehren sich rasch in großer Zahl, dann leben sie relativ lange, drei bis vier Jahre in Gefangenschaft. All das erfreut Aquarianer, aber Letzteres, die Lebensdauer, macht anderen zu schaffen: In unzähligen Labors werden Zebrafische gehalten, zu Millionen, genaue Zahlen erhebt niemand, aber von den Wirbeltieren dient allenfalls eines in höheren Zahlen der Forschung, die Maus.

Der Zebrafisch zieht kräftig nach, das liegt auch daran, dass die Larven – klein wie Augenwimpern – transparent sind. Man kann zusehen, was im Körper vor sich geht, etwa wenn die Chronobiologie durcheinander gerät: Das hat man gerade im Labor von Margit Egg (Innsbruck) getan: gleiche Lichtmenge über den Tag hinweg, aber in anderen Phasen, und einmal länger, einmal kürzer.

Darauf reagierten die Tiere mit verändertem Bau der Blutgefäße und mit verändertem Blut: Die Zahl der Erythrozyten – das sind die roten Blutzellen, die Sauerstoff transportieren – stieg. Aber Genanalysen zeigten, dass die für die Bildung der Erythrozyten zuständigen Gene gar nicht aktiv waren: Die Erhöhung der Gesamtzahl kam daher, dass alte Erythrozyten, die kaum mehr funktionsfähig waren, nicht mehr entsorgt wurden, in den Zelltod, die Apoptose (Chronobiology International, 25.2.).

Abhelfen ließ sich durch Verringerung des Sauerstoffgehalts im Wasser, das aktivierte die Gene. „Natürlich kann man von Zebrafischen nicht einfach auf Menschen schließen, Zebrafische etwa haben auf den überfluteten Reisfeldern oft mit wenig Sauerstoff zu tun“, erklärt Egg: „Aber man sollte schon nachsehen, ob sich im Blut von Schichtarbeitern Ähnliches abspielt.“ Falls ja, könnte man zum Aderlass raten bzw. zum Blutspenden, das regt die Bildung von Erythrozyten an.

Auch das Leben im Wasser ist sensibel

So viel zum Experiment, irgendwann ist jedes vorbei, und dann kommt der zweite Grund dafür ins Spiel, warum so viele Zebrafische in so vielen Labors gehalten werden: Das Leben von Säugetieren in Labors ist geregelt, ihr Sterben auch. Bei Fischen ist das anders, aber ausgerechnet bei ihnen ist gerade die alte Frage neu aufgekommen, ob Tiere Schmerzen empfinden oder vergleichbare Warnsignale des Körpers vor Gefahr.

Das ist vor allem bei Tieren umstritten, die nicht in Labors, sondern in Küchen gebracht werden, bei Hummern und Krebsen etwa. Die empfinden Schmerz, Robert Elwood (Queen's University) hat es in den letzen Jahren gezeigt, am eindruckvollsten an Einsiedlerkrebsen, das sind die, die in leere Scheckenhäuser einziehen. Man kann sie daraus vertreiben, mit Elektroschocks, aber sie wägen ab, aus guten Häusern weichen sie nicht so rasch (Animal Behaior, 77, 1243).

Ganz Ähnliches hat Stewart Owen (AstraZeneca) gerade an Zebrafischen bemerkt, er hat ihnen helle und dunkle Bereiche angeboten, die Fische bevorzugen helle. Ins helle Wasser kam dann eine Chemikalie, sie ließ die Fische flüchten und das geringere Übel wählen, die Dunkelheit (PLoS One, e3773). Dabei reagieren Fische auf viele Chemikalien überhaupt nicht. Aber diese war eine besondere, sie heißt MS-222 und wird in Labors dazu verwendet, Zebrafische zu töten, wenn die Experimentpflicht getan ist.

Nature nimmt das zum Anlass für ein Editorial, „Fish have feelings too“: Die Forscher mögen über Alternativen nachdenken (506, S.407). In Innsbruck will man das tun, das Problem war dort noch nicht bekannt, und beim Chronobiologie-Experiment wurde auch kein MS-222 verwendet, diese Fische kamen durch eine rascher wirkende Chemikalie zu Tode. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2014)

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