Der Umbau des Kerns der Natur schreitet voran

(c) John Hopkins University
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Erstmals ist es – an Hefe – gelungen, ein gesamtes Chromosom aus seinen Basenpaaren zusammenzustückeln und zugleich so zu modifizieren, dass man gezielte Veränderungen durchspielen kann.

„Warum um alles in der Welt sollte man so etwas tun?“ Das dachte sich Molekularbiologe Jef Boeke (New York) vor zehn Jahren, als er auf einer Tagung über Hefegenetik den Vortrag seines Kollegen Ronald Davis (Stanford) gehört hatte: Der hatte die Vision entworfen, künstliche Hefechromosomen zu synthetisieren und sie in natürliche Hefen einzubauen. Die Rede ist von der Hefe, die nicht nur bei Brot und Bier hilft – Saccacharomyces cerevisia –, sondern auch als Arbeitspferd in Genetikerlabors seit Langem brave Dienste leistet. Sie war auch 1996 der erste Eukaryont – eine Zelle mit Zellkern bzw. ein Lebewesen, das aus solchen Zellen besteht –, dessen Genom sequenziert wurde, zuvor war das nur bei Prokaryonten gelungen, Zellen ohne Zellkern, Bakterien etwa.
Davis wusste eine Antwort: „Wenn man einen Organismus wirklich verstehen will, muss man ihn bauen oder nachbauen.“ Das setzte sich im Hinterkopf von Boeke fest, und zwei Jahre später kam er, halb im Scherz, selbst mit dem Vorschlag, das Genom der Hefe nachzubauen und zu modifizieren. Dass so etwas grundsätzlich geht, hat 2002 Eckard Wimmer (New York) gezeigt: Er hat das (Genom des) Poliovirus nachgebaut. Nun kann man darüber streiten, ob Viren leben – sie können sich nicht aus eigener Kraft reproduzieren, das müssen ihre Wirte tun –, aber töten können sie. Deshalb verurteilte „Genhexer“ Craig Venter die Arbeit Wimmers als „verantwortungslos“. Dann eilte er in sein eigenes Labor und kam 14 Tage später mit dem Genom eines Bakteriophagen heraus.

Erst Viren, dann Bakterien, nun Hefe

Das war eine Fingerübung, das Genom hatte 4500 Basenpaare. Damit gab Venter sich nicht zufrieden. Er ging an das Genom eines Bakteriums, des kleinsten bekannten, desjenigen von Mycoplasma genitalium. Es hat 592.970 Basenpaare. Das war 2008 geschafft, im gleichen Jahr gelang Venter ein größeres Bakteriengenom. Möglich wurde das, weil man die nötigen Bauteile – vorgefertigte kurze Stränge von Basenpaaren – bei Spezialfirmen kaufen kann, man muss sie nur noch richtig zusammenstückeln. Eine dieser Firmen heißt Codon Devices, aber ihren Verantwortlichen stockte der Atem, als Boeke mit seinem Wunsch nach Material für ein Hefechromosom kam – das gesamte hat zwölf Millionen Basenpaare. Elf Monate erhielt er keine Antwort, dann konnte er an die Arbeit, er und 50 Studenten. Sie konzentrierten sich auf das kleinste der 16 Hefechromosomen, Nr. 3, 316.667 Basenpaare.
So viele sind es in der Natur. Aber Boeke hat nicht einfach nachgebaut, er hat zugleich umgebaut: Viele Sequenzen im Genom, die nicht unmittelbar mit Proteinen zu tun haben – sie „kodieren“ –, hat er weggelassen, und weggelassen hat er auch alles, was Instabilität in ein Genom bringt, Retrotransposons etwa. Das sind DNA-Elemente, die im Genom herumspringen können.
Im Gegenzug hat er steuerbare Variationen eingebaut, mit loxP, das ist eine DNA-Sequenz, die auf ein bestimmtes chemisches Signal die Gene in seiner Umgebung neu mischt wie beim Kartenspiel oder auch neu rührt. Deshalb nennt Boeke den Trick SCRaMbLE, „synthetic chromosomal rearrangement and modification bei loxP-mediated evolution“.
Nach eineinhalb Jahren war das Werk vollbracht, das Chromosom hat nun 272.871 Basen, viel weniger als in der Natur. Aber die Hefe kann damit leben. Das zeigte sich, als das Chromosom in Hefe eingebaut wurde (Science, 27. 3.). Und warum um alles in der Welt nun? „Wir können jetzt die Genomkarten millionenfach neu mischen und schauen, wie die Hefe reagiert“, erklärt Boeke, und mit dieser Aussicht hat er viele angesteckt: In einem breiten internationalen Verbund wird an weiteren elf Hefechromosomen gebaut.

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