Die weltweite Wanderung bleibt konstant

African migrants stand in a queue as they wait to receive temporary identity cards for their stay at a refugee centre, outside a police station in Melilla
African migrants stand in a queue as they wait to receive temporary identity cards for their stay at a refugee centre, outside a police station in MelillaREUTERS
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Die Globalisierung hat die Migration von Menschen nicht wesentlich verstärkt. Und ganz Arme wandern nicht zu den ganz Reichen, sondern zu weniger Armen. Das ergab eine Studie von Wiener Forschern.

„Sturm auf Mellila.“ Das war die Schlagzeile, als Anfang April Afrikaner versuchten, in der spanischen Exklave in Marokko Zuflucht vor ihrem Elend zu finden. Und in diesem „Sturm“ – ebenso wie in der auch häufigen Metapher von der „Flut“ – steckt die Angst, er komme wie ein Naturereignis und werde obendrein ständig anschwellen. Es kommen ja auch immer mehr über das Mittelmeer oder die griechische Grenze! Oder nicht?

Das ist im globalen Rahmen gar nicht so einfach zu erheben, es gibt keine einheitliche Statistik, der man die Wanderbewegungen – seien es die der Reichen oder die der Armen oder die der Kriegsflüchtlinge – ablesen kann, bzw. es gab keine. Erst jetzt haben Guy Abel und Nikola Sander vom Institut für Demografie der ÖAW aus Zensusdaten der UNO, in der weltweit die Geburts- und Wohnorte stecken, eine erstellt (Science, 343, S.1520): Sie verglichen einfach die Wohnorte von Personen am Anfang einer Fünf-Jahres-Periode mit deren Wohnorten am Ende der fünf Jahre. Heraus kam, dass es mit dem Sturm bzw. seinem Anschwellen nichts auf sich hat: „Entgegen dem verbreiteten Glauben zeigen unsere Daten keinen kontinuierlichen Anstieg über die letzten zwei Dekaden.“ Es sind vielmehr immer rund 0,6 Prozent der Weltbevölkerung unterwegs, in den Jahren von 1990 bis 1995 waren das 41,4 Millionen, von 1995 bis 2000 waren es 34,2, dann kam wieder ein Anstieg: 39,9 von 2000 bis 2005, 41,5 von 2005 bis 2010. Diese Schwankungen kommen von Kriegen oder politischen Umbrüchen, der Rückgang gegen Ende des 20.Jahrhunderts etwa kam daher, dass in Afghanistan die Taliban die Macht übernahmen und das russische Marionettenregime des Mohammed Nadschibulla stürzten, das hatte viele Afghanen zur Flucht veranlasst. Zugleich war in Ruanda das Morden zwischen Tutsi und Hutu zu Ende.

Für das ganze Afrika gilt das nicht, aber die jeweiligen Flüchtlingsbewegungen führen nicht weit: Von 2005 bis 2010 suchten 650.000 Migranten innerhalb von Ostafrika und eine Million in Westafrika jeweils in Nachbarländern Zuflucht, 277.000 kamen nach Europa. Und viel mehr werden es auch nicht werden, „sofern sich der niedrige Bildungsstandard und das relativ geringe Einkommen nicht entscheidend verbessern“. Die ganz Armen suchen ihr Glück nicht bei den ganz Reichen, sondern bei weniger Armen. Ob das massive Bevölkerungswachstum im Afrika südlich der Sahara in Zukunft doch zu großen Wanderungen nach Europa führen wird, hängt also vom Bildungsniveau in den afrikanischen Staaten ab. Bisher fällt nur die Migration von Nordafrika nach Südeuropa (Spanien, Italien) ins Gewicht.

Oft bleiben Migranten auf ihrem Kontinent. So wandern Südamerikaner vorzugsweise nach Nordamerika: Die stärkste bilaterale Wanderung zwischen 2005 und 2010 war die von Mexiko in die USA (1,8 Millionen), die zweitstärkste die von Indien in die Vereinigten Arabischen Emirate (1,1 Millionen). Überhaupt wandern in Asien viele von Südosten nach Westen, das ist zum großen Teil Arbeitsmigration, so gehen viele Inder und Pakistani als Bauarbeiter in die Golfstaaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2014)

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