Apokryphen: „Jesus sagte zu ihnen: ,Mein Weib . . .‘“

Undated handout image of an ancient papyrus written in ancient Egyptian Coptic
Undated handout image of an ancient papyrus written in ancient Egyptian Coptic(c) REUTERS (HANDOUT)
  • Drucken

Ist das „Evangelium von Jesu' Weib“ echt? Das Alter des Papyrus und die Chemie der Tinte sprechen dafür.

Hatte Jesus eine Frau und mit ihr Kinder? Die Frage wurde in unserer Zeit erstmals breitenwirksam 1982 im Buch „Holy Blood and Holy Grail“ gestellt und eindeutig beantwortet: Jesus war mit Maria Magdalena verheiratet, sie hatten Kinder, die oder ihre Nachfahren emigrierten nach Südfrankreich und verflochten sich mit den Merowingern. Die tragen es seitdem in sich, das heilige Blut, es ist der Gral, zumindest ein Teil davon, der andere war die Gebärmutter Maria Magdalenas. Die Spekulation verkaufte sich bestens, noch mehr Erfolg hatte Dan Brown später mit seinem ähnlich gestrickten „Da Vinci Code“. Aber beides war eben Unterhaltungsliteratur.

Doch 2012 wurde ein antikes Dokument präsentiert, aus dem man Ähnliches herauslesen konnte, ein Papyrus bzw. ein acht mal vier Zentimeter kleines Fragment, auf beiden Seiten beschriftet, auf der einen nicht mehr leserlich, auf der anderen acht partiell erhaltene Zeilen, in der vierten steht: „Jesus sprach zu ihnen: ,Mein Weib . . .‘“ Vorgestellt wurde das auf einem Kongress von Karen King, sie hält den ältesten theologischen Lehrstuhl der USA, den Hollis Chair of  Divinity in Harvard.

Und sie ist Spezialistin für das Koptische. Deshalb bekam sie 2010 von einem Sammler per E-Mail die Bitte, etwas zu übersetzen, die Zeilen auf dem Papyrus. Der Sammler ist bis heute anonym, und über die Geschichte des Papyrus weiß man auch nur, dass er 1982 im Besitz des Ägyptologen Fecht an der FU Berlin war, der einem Freund von seinem Schatz erzählte: „Fecht meint, dass dies ein Beweis für eine Ehe sein könnte.“

So weit geht King nicht, aber sie kennt sich auch mit Werbung aus und nannte den Papyrus bei ihrer Präsentation „Gospel of Jesus' Wife“, „Gospel“ heißt „Evangelium“: King datierte aus Linienführung und Formulierungen auf das vierte Jahrhundert, aber die Erzählweise deutet auf das zweite, vermutlich steht auf dem Papyprus eine Übersetzung aus dem Griechischen. Der Text biete „keinen Beweis dafür, dass der historische Jesus verheiratet war“, erklärte King, „aber er zeigt, dass es innerhalb der Christen früh zu Auseinandersetzungen über Sexualität, Ehe und Partnerschaft gekommen ist“.

„Maria ist würdig, Jüngerin zu sein“


Der Streit ging darum, ob Jünger und Jüngerinnen verheiratet sein dürfen, auch darum, ob es überhaupt Jüngerinnen geben darf: „Maria ist dessen würdig“, stellt Jesus klar: „Sie wird fähig sein, meine Jüngerin zu sein.“ Auch diese mildere Interpretation dessen, was „Weib“ meinen könnte, hatte Zündstoff genug. Der Vatikan erklärte den Papyrus zur Fälschung („in ogni caso un falso“), er untermauerte das mit einem Gutachten von Alberto Camplani, La Sapientia, Rom.

Dieser revidiert sein Urteil, er hält den Papyrus nun für echt. Aber Zweifel blieben, und King ließ prüfen, was man prüfen kann: Der Papyrus stammt aus den Jahren 659 bis 859, die Tinte stimmt mit damaliger überein, nichts deutet auf Fälschung (Harvard Theological Review 107, S. 131). „Ob Ehefrauen und Mütter Jünger sein können, wurde in dieser Zeit, in der die zölibatäre Jungfräulichkeit immer höher bewertet wurde, heiß debattiert“, schließt King. War also Maria Magdalena Jüngerin, war sie mehr? Sie ist oft bei Jesus, bei der Kreuzigung, beim Begräbnis, sie sieht als Erste den Auferstandenen. Sie war bei den frühen Christen hoch geschätzt, erst Papst Gregor brachte sie als Hure in Verruf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.