Molekularbiologie: Was Lebensfäden verlängert

Telomerase kann die DNA-Enden, die bei jeder Zellteilung verloren gehen, wieder anstückeln. Nun endlich kennt man ihre Struktur.

Wer die DNA bzw. die Chromosomen gern poetisch Lebensfäden nennen möchte, dem passen ihre Enden gut ins Bild: die Telomere, die bei jeder Zellteilung kürzer werden – als waltete die Parze Atropos ihres Amtes. (Nach einer anderen der drei Schicksalsgöttinnen, der Näherin Klotho, heißt ein Gen, das das Insulin steuert und das Altern bremst.)

Wenn die Telomere zu kurz werden, dann hört die Zelle auf, sich zu teilen, programmierter Zelltod oder Wachstumsstopp (Seneszenz) tritt ein. Es gibt einen Enzym-Komplex, der die abgeschnittenen Enden wieder anstückeln kann: die Telomerase, entdeckt 1984. Diese ist nur in bestimmten Zellen aktiv: erstens in Keimzellen, (manchen) Stammzellen und Immunzellen.

In Krebszellen aktiv

Zweitens aber in den meisten Krebszellen: Die Aktivierung der Telomerase macht sie unsterblich. Deren Abschaltung könnte also dem Krebs das Handwerk legen.

Allerdings wusste man bisher nicht genau, wie die Telomerase aufgebaut ist. Klar ist, dass sie RNA enthält, als Vorlage für die anzustückelnden DNA-Sequenzen: die „human telomerase RNA component“, abgekürzt „hTR“. Dazu kommt „hTERT“, eine reverse Transkriptase, also ein Enzym, das die Umschreibung von RNA in DNA katalysiert.

Welche Proteine sind sonst noch dabei? Dass das bisher unklar war, liegt daran, dass die Telomerase notorisch schwer zu isolieren und zu reinigen ist. Vor allem ist es nicht leicht zu sagen, welche Proteine für ihr Funktionieren unbedingt notwendig sind – und welche nur dranhängen, weil sie mit Entstehung, Transport oder Abbau der Telomerase zu tun haben.

Nun endlich konnten australische Molekularbiologen um Scott B.Cohen das klären: Nur ein Protein ist noch dabei, Dyskerin. Telomerase besteht also aus hTR, hTERT und Dyskerin – und zwar jeweils zweimal, das liest man aus dem Molekulargewicht (Science, 315, S.1850).

Dyskerin kennt man vom RNA-Stoffwechsel – und von Dyskeratosis Congentia, einer seltenen Erkrankung des Knochenmarks. Dessen blutbildende Zellen sind als Stammzellen auf intakte Telomerase angewiesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2007)

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