Medizin: „Molekulares Stethoskop“

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Die Entwicklung von Föten lässt sich im Blut ihrer Mütter online verfolgen, durch Analysen dort schwimmender freier RNA.

Wäre es nicht fein, der Entwicklung eines Fötus zusehen und organspezifische Probleme sofort therapieren zu können, ohne dem Fötus auch nur nahe zu kommen? Ja, aber wie soll das gehen? Durch die Analyse von Erbmaterial, das im Blut der werdenden Mutter schwimmt. Dass dort freie DNA unterwegs ist, weiß man seit 1949, sie kommt aus unseren eigenen Zellen, solchen, die in den Zelltod gegangen sind. Aber 1997 bemerkte Dennis Lo (Hongkong) im Blut von Schwangeren nicht nur deren DNA, sondern auch die der Föten.

Das brachte die nichtinvasiven pränatalen Gendiagnosen (NIPD) auf den Weg. Sie gehen davon aus, dass im Blut Schwangerer drei verschiedene Genome sind, das der Mutter, das der mütterlichen Gene im Fötus, das der väterlichen Gene im Fötus. Dann muss man nur genau hinschauen: Findet sich kein männliches Sexualchromosom – das Y, es kommt nur vom Vater –, dann ist ein Mädchen unterwegs. Und finden sich im Blut der Schwangeren manche Chromosomen zu häufig, ist Gefahr unterwegs, eine falsche Chromsomenzahl im Fötus, eine Aneuploidie. Die meisten töten lange vor der Geburt, mit einer kann man leben: Trisomie 21, Downsyndrom.

Ein entsprechender Bluttest, entwickelt von Stephen Quake (Stanford), wurde schon über 500.000-mal eingesetzt. Nun geht Quake den nächsten Schritt: DNA im Blut zeigt, welche Gene da sind. Sie zeigt aber nicht, wie aktiv die Gene sind. Das verrät die RNA, die für das Umschreiben der Gene in Proteine sorgt. Freie RNA schwimmt auch im Blut, an ihr lässt sich das Wohlergehen der Föten dynamisch überwachen, Quake hat es im „proof of principle“ gezeigt (Pnas, 5. 5.): „Es ist eine Art molekulares Stethoskop“, das immer klarer sieht: Im ersten Trimester sind 0,4 Prozent der RNA im Mutterblut vom Fötus, im zweiten sind es 3,4, im dritten 15,4.

Auch für Alzheimerdiagnosen

Und es ist fein genug, nicht nur die generelle Entwicklung zu dokumentieren, sondern die der einzelnen Organe. Die haben ja alle den gleichen Genomsatz, aber jedes Gewebe aktiviert nur bestimmte Gene, und die in spezifischem Ausmaß. Quake hat etwa hirnpezifische RNA verfolgt, nicht nur bei Föten im Blut der Mutter, sondern auch am anderen Ende des Lebens im Blut der Betroffenen: Die Methode könnte zur Alzheimerdiagnose beitragen. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2014)

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