Psychologie: Krise färbt Schwarze schwärzer

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Die ökonomische Situation verändert die Wahrnehmung: In Notzeiten werden Minderheiten anders gesehen – und behandelt.

Wenn die Zeiten härter werden, trifft es vor allem die, die weniger sind und anders aussehen, die englischsprachige Forschung nennt sie unbefangen „racial minorities“: Die Rezession 2007 bis 2009 brachte weißen US-Bürgern pro Haushalt einen Durchschnittsverlust von 16 Prozent, bei den Afroamerikanern waren es 53. Das hat strukturelle Gründe – Schwarze arbeiten eher in Berufen, die härter betroffen sind –, aber die erklären nicht alles, es geht auch um Stereotype, und die sitzen tief. Die ökonomische Krise verändert den Blick der Mehrheit auf die Minderheit: In den Augen von Weißen sehen Schwarze dann noch schwärzer aus.

Zumindest ist das im Labor des Psychologen David Amodio (New York) so: Er hat vorwiegend weißen Testpersonen auf PC-Schirmen computergenerierte Gesichter gezeigt, eine breite Palette von typisch schwarzen bis typisch weißen Zügen, in der Mitte verschwammen beide, ganz in der Mitte zu exakt 50 zu 50 Prozent. Die Gesichter in der Mitte sollten zugeordnet werden, und für den weißen Blick war einer generell schon schwarz, der objektiv nur 47 Prozent der Züge trug. Das verstärkte sich bei denen, die Schwarze als Konkurrenten fürchten („Wo Schwarze gewinnen, verlieren Weiße.“).

Und das verschärfte sich, als unvermerkt die Krise ins Experiment gebracht wurde: Vor dem Erscheinen der Bilder gab es ein „Priming“, auf dem Schirm tauchten kurz – zu kurz für bewusste Wahrnehmung – Begriffe aus drei Gruppen auf. Die erste war mit der Krise assoziiert („Mangel“ etc.), die zweite mit nichts („Appetit“ etc.), die dritte mit Stereotypen („Brutalität“). Am stärksten wirkte die erste, nun sah ein Gesicht mit 40 Prozent Schwärze schon schwarz aus, die anderen wirkten schwächer, am schwächsten „Brutalität“, schwächer als „Appetit“ (Pnas, 9. 6.)

Eigendynamik stuft Ungleichheit auf


Es gibt also auch gute Nachrichten. Aber die helfen Schwarzen in der Krise nicht: Im letzten Experiment ging es um die Verteilung von öffentlichem Geld. Dabei war von Krise nicht die Rede, die war nur umwegig im Spiel: Den Entscheidern – per Zufall ausgewählten Parkbesuchern – wurden zwei Fotos von Gesichtern gezeigt, beide waren in einem Vorexperiment (von anderen) als „typisch schwarz“ eingeschätzt worden, einmal mit Priming, einmal ohne. Zwischen beiden sollten die Probanden 15 Dollar aufteilen. Sie gaben dem in den Augen der Betrachter von der Furcht schwärzer gezeichneten Gesicht weniger.  (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2014)

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