Wieder da: LSD und Psilocybin

Albert Hofmann
Albert Hofmann(c) Wikipedia/ Stefan Pangritz
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Psychedelische Drogen, die seit den 40er-Jahren als Pharmaka entwickelt bzw. der Natur nachgebaut und später verboten wurden, sollen gegen Ängste und Süchte helfen.

16.20 Einnahme der Substanz. 17.00 Beginnender Schwindel, Angstgefühl, Lähmungen. Schwerste Krise. Meine Umgebung hatte sich in beängstigender Weise verwandelt. Die vertrautesten Gegenstände nahmen groteske, meist bedrohliche Formen an.“ So protokollierte Albert Hofmann, was er am 19.April 1943 erlebte, als er an sich selbst testete, was er als Chemiker bei Sandoz in Basel Jahre zuvor an Tieren getestet hatte: LSD, ein Derivat der Lysergsäure. Die lässt sich aus Mutterkorn gewinnen – einem Pilz, der Getreide befällt –, Hofmann hatte sie bzw. LSD 1938 synthetisiert, er hoffte auf ein Kreislaufmedikament. Aber seine Versuchsmäuse wurden nur unruhig, das LSD kam in den Fundus. Fünf Jahre später holte Hofmann es wieder heraus, schluckte, viel, und dann fuhr ein „Dämon“ in ihn, erst böse, später brachte er Euphorie, und die Sinne boten ein „unerhörtes Farben- und Formenspiel“.

Nun hoffte Hofmann auf ein Medikament für Neurologie und Psychologie, Sandoz produzierte kleine Mengen („Delysid“) und verteilte sie weltweit für Experimente. Die wurden nicht nach heutigen Standards ausgeführt – oft ohne Kontrollgruppen, oft in extrem hohen Dosen –, sie zeigten wenig Wirkung und viel Nebenwirkung. Bald machten urbane Mythen die Runde: Menschen seien im LSD-Rausch aus Fenstern von Hochhäusern gesprungen, weil sie sich wie Vögel fühlten etc. Kein Mythos hingegen ist, dass US-Militärs und -Geheimdienste ohne jede Skrupel (und Kontrolle) mit der Droge experimentierten. Auf der Gegenseite erhob Timothy Leary das LSD fast zur Religion. All das führte dazu, dass Sandoz 1965 die Produktion einstellte, 1970 wurde LSD in den USA unter die gefährlichsten Drogen gereiht. Dort traf es sich mit Psilocybin, einer LSD-ähnlichen Substanz aus Pilzen auf Bergwiesen, sie ist etwa Älplern seit Jahrhunderten vertraut. 1957 synthetisierte Hofmann auch diesen Dämon, wieder in pharmakologischer Absicht, zum Erweitern des Bewusstseins experimentierte er nur privat – dann aber mit allen erdenklichen Drogen und gern gemeinsam mit Ernst Jünger –, Learys LSD-Propaganda etwa kritisierte er stark, die einschlägigen Experimente der CIA nannte er „Verbrechen“.

Nach dem Verbot wurde es ruhiger um LSD und Psilocybin, andere Modedrogen kamen. Aber nun sind beide wieder da, weltweit laufen kleine klinische Tests, am weitesten ist Stephen Ross (New York): Er gibt seit 2009 Krebspatienten im Endstadium Psilocybin, um ihnen die Angst vor dem Tod zu nehmen. Und in der Schweiz hat man auch die Spuren von Hofmann wieder aufgenommen, 1990 verglich Franz Vollenweider (Zürich) die Wirkungen von LSD und Amphetaminen, 1998 entdeckte er den Weg, auf dem alle psychedelischen Drogen – die „die Seele offenbarenden“ – wirken, sie setzten an Rezeptoren für Serotonin an, den euphorisch stimmenden Neurotransmitter („Glückshormon“).

Anregung des Gehirns? Dämpfung?

Aber was dann mit dem Gehirn passiert, ist umstritten: Vollenweider sieht eine Steigerung der Aktivität, vor allem in den vorderen, höher entwickelten Hirnteilen; laut Robin Carhart-Harris (London) hingegen geht es um ein Dämpfen dieser (auch) kontrollierenden Regionen: „Die Emotionen werden von der Leine gelassen.“ Das sieht Carhart-Harris durch sein jüngstes Experiment bestätigt, in dem er mit bildgebenden Verfahren sichtbar gemacht hat, wie das Gehirn auf Psilocybin reagiert: Es zeigt dann ganz ähnliche Muster wie beim Träumen (Human Brain Mapping, 3.7.). Aber wie auch immer es funktioniert, Vollenweider und Carhart-Harris wollen mit Psilocybin depressiven Patienten helfen, andere wollen mit LSD Süchte kurieren – nach Alkohol, Nikotin, Kokain –, Depressionen natürlich auch (Science, 345, S.18).

Daran regt sich auch Kritik, Florian Holsber (MPI Psychiatrie München) etwa hält die Experimente für „zu gefährlich“, weil die psychedelischen Drogen zu viele Effekte haben, nicht nur einen erwünschten. Aber Hofmann, dem Wegbereiter, hätte alles gefallen: Er erlebte es noch, dass 2007 – da war er 101 Jahre alt und höchst fit – das erste LSD-Experiment in der Schweiz erlaubt wurde. Im TV nannte er das die Erfüllung seines Traums.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2014)

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