Tausche Pflanzen- gegen Pilzgene

Schirmlinge
SchirmlingeKEYSTONE/ARNO BALZARINI
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Durch den Einbau von Pilzgenen in Pflanzen könnten neue Materialien erzeugt werden.

Lange Zeit ließen sich die Wissenschaftler von Äußerlichkeiten täuschen und ordneten die Pilze fälschlicherweise dem Reich der Pflanzen zu. Bei genauerem Hinsehen und insbesondere durch molekulare Analysen wurde jedoch bald klar, dass die Pilze in vielen Aspekten sogar den Tieren wesentlich ähnlicher sind als den Pflanzen, aber dennoch ein eigenes Reich bilden.

Eine Gemeinsamkeit haben Pflanzen und Pilze dadurch, dass ihre Zellen Wände bilden – diese fehlen bei den Tieren. Diese Ähnlichkeit soll in einem Forschungsprojekt genutzt werden: „Wir kamen auf die Idee zu untersuchen, was wohl passiert, wenn wir Pilzzellwandgene in Pflanzen bringen und umgekehrt. Werden die Gene im fremden Organismus aktiv sein, und wenn ja, wie wird sich die Struktur des Pilzes oder der Pflanze verändern?“ Das fragen sich Gea Guerriero und Joseph Strauss vom Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie und ihre Kollegen vom Christian-Doppler-Labor für Moderne Zellulosechemie, Antje Potthast und Thomas Rosenau.

Die Zellwände von Pilzen und Pflanzen bestehen zwar aus unterschiedlichen Materialien, es kann aber eine Verwandtschaft zwischen den Zellwandtypen gefunden werden. Ziel des Projektes ist es, das Verständnis für Prozesse zu schaffen, die es dann erlauben, Eigenschaften von natürlichen Biopolymeren, wie Zellulose und Chitin, zu verknüpfen. Im Endeffekt könnte das für den Pflanzenschutz und für biotechnologische Anwendungen von Nutzen sein. Wenn es möglich wäre, in der Pflanze auch das Chitin von Pilzen zu synthetisieren, so hätte dies vielleicht spannende Auswirkungen auf die Eigenschaften von Fasern, die aus solchen Pflanzen für technische Anwendungen gewonnen werden. Es ist auch vorstellbar, dass damit die Resistenz, etwa von Getreide, gegen Pflanzenkrankheiten gestärkt und damit der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringert werden kann.


Verformung beobachtet. Für die ersten Ansätze verwendeten die Forscher den Modell-Schimmelpilz Aspergillus nidulans. Dieser wird seit den 1950er-Jahren als genetisches Modell genutzt. Interessanterweise besitzen Pilze Enzyme, die den pflanzlichen Zellulosesynthasen sehr ähnlich sind, obwohl sie selbst keine Zellulose bilden können. Das war ein Ansatzpunkt in dieser Forschung.

Als Dichlobenil, ein Unkrautbekämpfungsmittel, das die Zellwandbildung durch Hemmung der Zellulosesynthase bei Pflanzen behindert, in Pilzkulturen eingesetzt wurde, kam es tatsächlich zu Verformungen der Pilzzellwände. Diese hatten Ausbuchtungen und waren wesentlich instabiler. Die molekularen Untersuchungen der dafür verantwortlichen Pilzgene stehen derzeit gerade vor dem Abschluss.

In einem nächsten Schritt werden sukzessive Pilzgene gegen Pflanzengene ausgetauscht. Das Ziel ist es, das zellwandspezifische Genrepertoire von Pilzen verwenden zu können, um damit eventuell Biomaterialien mit vollkommen neuen physikalischen und chemischen Eigenschaften zu erzeugen.

Projekt

Pilze
Das Reich der Pilze umfasst 200.000 bekannte und geschätzte 1,5 Millionen verschiedene Arten. Dazu gehören sowohl Einzeller wie die Backhefe als auch Vielzeller wie Schimmelpilze und die uns bekannten Schwammerln (Ständerpilze).

Anwendung
Weil Pflanzen und Pilze im Gegensatz zu Tieren (Zellmembran) Zellwände bilden – die einen mit Zellulose, die anderen mit Chitin –, versuchen Wissenschaftler, Pilzzellwandgene in Pflanzen zu bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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