Neu lackieren: Baumpilz statt Schwermetall

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Kobalt ist potentiell krebserregend – findet sich aber in vielen Lacken. Daher arbeiten Lackfirmen an alternativen Trocknungsmitteln für ihre Lacke. In Österreich konnte ein enzymbasierter Biolack entwickelt werden.

Die Gartensaison hat längst begonnen – und womöglich wurden die Gartenmöbel dafür nicht bloß abgestaubt, sondern auch gleich einmal neu gestrichen. Doch wie steht es um Umweltfreundlichkeit und Verträglichkeit der Lacke? Und: Ist diese dem Konsumenten eigentlich wichtig?

„Ich bin überzeugt davon, dass es auch hier vermehrt zu einem Umdenken kommen wird“, sagt die Umweltbiotechnologin Katrin Greimel vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib) in Graz (siehe Faktenkasten rechts).

Seit nach einer EU-Verordnung kobalthaltige Lacke gekennzeichnet werden müssen, steigt sowohl der Druck auf die Lackproduzenten als auch der bewusste Kauf der angebotenen Artikel. Die Konsumenten studieren immer häufiger die Inhaltsstoffe der Lacke, die zur Auswahl stehen.

Nach 2013 dürfen in Beschichtungen nur maximal zehn Millionstel Teile (ppm) Kobalt enthalten sein. Der Grund: Das Schwermetall Kobalt steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Derzeit wird dieser Wert in Lacken jedoch bei Weitem überschritten – und zwar um das Zwanzigfache der möglicherweise problematischen Substanz.


Entwicklungsabteilungen stehen Kopf. Kein Wunder, dass in den Lackfirmen die Entwicklungsabteilungen Kopf stehen. Es gilt, schnellstmöglich Alternativen zu Kobalt zu finden, die – so wie dieses – die Trocknung von Lacken und ölhaltigen Farben beschleunigen, um auch diesem Kunden- und Verbraucherschutzwunsch gerecht zu werden. Als Ersatz für Kobalttrockner sind in jüngster Zeit einige Stoffe auf Basis von Mangan und Eisen auf den Markt gekommen.

Das Problem dabei: In diesen Fällen wird schlicht ein Schwermetall gegen ein anderes ausgetauscht.


Trockner auf Enzymbasis.
„Unser System ist schwermetallfrei“, hebt Katrin Greimel hervor. Die Abteilung Enzymes& Polymers am Acib hat zusammen mit dem Unternehmen Allnex Austria mit Laboren in Graz und der Produktion in Werndorf ein Trocknungssystem entwickelt, das rein auf Enzymen basiert. „Die Idee dazu entstand 2009“, erzählt der Enzymspezialist Georg Gübitz, zuständiger Projektbetreuer bei Acib und Professor am Department für Agrarbiotechnologie der Universität für Bodenkultur in Wien.

Das verwendete Enzym stammt nun aus einem Pilz, konkret aus dem Baumschwamm Trametes hirsuta, auf Deutsch Striegelige Tramete. „Wir wussten, dass der Pilz die Enzymart beinhaltet, die wir suchen“, so der Biotechnologe. Ein Stück des Pilzes wurde geerntet, das aktive Enzym gesucht und isoliert.

Die Wirkung dieses Enzyms mit dem Namen Laccase war bereits bekannt. Es wird in zahlreichen industriellen Prozessen eingesetzt: in der Textilindustrie und der Papierindustrie für Bleichprozesse und in der Lebensmittelindustrie für die Reduzierung von Phenolderivaten, die in Nahrungsmitteln natürlich als Farb-, Duft- und Geschmacksstoffe vorkommen.

„Dass das Enzym schon industriell verwendet wird, ist für uns natürlich ein erheblicher Vorteil“, sagt Greimel. „Daher ist es in großen Mengen erhältlich.“ Auch ein Vorteil für den Konsumenten. Denn das wird sich auch auf den künftigen Preis des Biolacks auswirken, der nicht wesentlich teurer sein soll als herkömmliche Lacke.


Rein biologischer Lack.
Acib und Allnex Austria arbeiten an einem rein biologischen Alkydharz-Lack. Das Potenzial ist groß: Allein in Europa werden rund 700.000 Tonnen Alkydharz pro Jahr produziert. Die Lacke bestehen aus Fettsäuremolekülen, Farbpigmenten und eben Sikkativen, den Trocknungsmitteln.

Wird ein Möbelstück mit einem Lack bestrichen, dann beschleunigen diese Trocknungsmittel das Vernetzen der Fettsäuren durch den Einbau von Luftsauerstoff – und damit das Trocknen des Lacks. Nun kann der herkömmliche Kobalttrockner durch natürliche und umweltfreundliche Biokatalysatoren – also durch besagte Laccasen – ersetzt werden.


Enzym muss aktiv bleiben.
Die Schwierigkeit dabei ist, das Alkydharz so anzufertigen, dass das Enzym auch aktiv bleibt, sich die Eigenschaften des Harzes jedoch nicht verändern.

Allnex Austria, das im Rahmen der Suche nach dem biologischen Lack die anwendungsorientierten Fragen löst sowie Produkt- und Marktanforderungen in das Projekt einfließen lässt, stellt in der Projektpartnerschaft das Alkydharz zur Verfügung. Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology, das sich den wissenschaftlichen Grundlagen widmet, speziell im Bereich Biotechnologie, stellt die Enzyme.


Neues Messsystem für Trocknung.
Die Symbiose der beiden Institute führte jedoch nicht nur zu einem biotechnologischen Lack, sondern auch zu einer neuen Messmethode, mit der überwacht werden kann, wie es mit der Lackaushärtung vorangeht – nämlich mithilfe von Licht „Wir haben ein optisches Messsystem herangezogen, das bereits existiert, um die Abnahme des Sauerstoffgehalts im Lackfilm zu messen“, erklärt Katrin Greimel.

Konkret wird dabei ein Fluoreszenzfarbstoff angeregt, der Licht im Infrarotbereich emittiert. Wenn Sauerstoff im System vorhanden ist, wird das ausgestrahlte Licht gequencht – wie es in der Fachsprache heißt –, es wird also sozusagen gelöscht. Der Gehalt des freien Sauerstoffs in der Lacksubstanz sinkt, während der Lack trocknet. Das heißt: Je mehr Sauerstoff gebunden wird, desto stärker wird das Signal.

Die neue Lackformulierung wurde 2012 zum Patent eingereicht – und das Projekt hat auch bereits mehrere Preise erhalten. So wurde es mit dem Niederösterreichischen Innovationspreis ausgezeichnet.

Beim INITS-Award des universitären Gründerservices belegte es zwei zweite Plätze – in den Kategorien Allgemeine Technologie und Woman Award.

aciB

Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology ist ein Netzwerk aus mehr als 80 Partnern aus Wissenschaft und Industrie, darunter sind international erfolgreiche Firmen wie Novartis, Boehringer Ingelheim RCV und Sigma Aldrich.

Eigentümer sind die Unis Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Unis für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Rund 190 Mitarbeiter arbeiten derzeit an mehr als 40 Forschungsprojekten. Das Ziel: Industrielle Prozesse umweltfreundlicher und wirtschaftlicher zu machen.

Gefördert wird Acib im Rahmen von COMET durch Ministerien und die Länder Steiermark, Wien und Tirol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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