Geomorphologie: Das Klima lässt die Inseln nicht untergehen!

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Wenn die Meere steigen, wachsen die Inseln, die von Korallenriffen gebaut werden, mit. Das zeigt sich beim periodischen Klimaphänomen El Niño, es zeigte sich auch in einer früheren Erwärmungsphase.

„The angry sea will kill us all!“ So schallt es überall auf Kiribati – einer Gruppe von 33 Koralleninseln mitten im Pazifik – aus den Radios, der Song hat einen von der Regierung ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen, in dem es darum ging, die Schrecken der Sintflut zu vertonen, die mit dem Klimawandel bzw. der durch ihn verursachte Erhöhung der Meeresspiegel über Kiribati (und viele andere Inseln) kommen wird. Zumindest sieht das Präsident Anote Tong so, er warnt in Interviews vor einer „völligen Auslöschung“ Kiribatis, er haut bei Klimakonferenzen auf den Tisch, und vorsorglich hat er im Mai 32 Quadratkilometer hoch gelegenes Land auf einer Fidschi-Insel kaufen lassen, für 8,7 Millionen Dollar.

Gut angelegtes Geld? Die Meere werden steigen, nach derzeitigen Prognosen des UN-Klimabeirats IPCC um 26 bis 82 Zentimeter bis 2100. Ende der 80er-Jahre, als der Klimawandel zum Thema wurde, lagen die Prognosen noch höher, und eine der ersten und größten Sorgen galt den „Kleinen Inselstaaten“, die nur ein paar Meter aus dem Ozean ragen, zur Ikone wurde Tuvalu, diesem Eiland gab man kaum zehn Jahre. Aber es ist noch da, und alle anderen sind es ebenfalls: Wenn die Meere steigen, wachsen auch die Koralleninseln in die Höhe. Zu diesem Befund kam Paul Kench, Geomorphologe an der University of Auckland, als er 1999 im Auftrag der Weltbank die ökonomischen Folgen des Klimawandels für die Kleinen Inselstaaten evaluierte. Er ging zunächst die Fachliteratur durch und fand – nichts, die steigenden Meere hatten keine Insel überspült. Zur Klärung nahm er sich dann Meeresspiegelschwankungen vor, die man schon lange kennt und misst, vor allem die des Klimaphänomens El Niño, es bringt Teilen des Pazifiks periodisch viel höhere Meeresspiegel als der Klimawandel – die Wasser steigen rasch um 30, 40 Zentimeter –, es lässt auch die Wellen mit höherer Energie an die Küsten schlagen. Aber die erodieren nicht, ganz im Gegenteil, die äußeren Korallenringe wachsen mit, und was die Wellen von ihnen abreißen – Steinchen und Sand, beide biogen – verfrachten sie auf die Inseln. Das bringt zehn bis 15 Millimeter im Jahr – viel mehr, als der Klimawandel die Meere hebt: 3,2 Millimeter pro Jahr –, und das ist nicht nur bei El Niño so.

Sondern es war auch so bei einem früheren Klimawandel, der dem heutigen vergleichbar ist, das hat Kench gezeigt, an Jabat, einer Marshall-Insel. Die stieg vor 4800 bis 4000 Jahren rasant mit bzw. aus dem steigenden Meer, sie war 2,5 bis drei Meter höher als heute, mit sinkenden Meeresspiegeln ist sie wieder erodiert (Geophysical Research Letters, 41, S. 820): „Solange die Riffe gesund sind und genug Nachschub an Sand sicherstellen, gibt es keinen Grund, dass Inseln nicht wachsen können“, schließt der Forscher (Science, 345, S. 496). Das kann und muss man auch umdrehen: Manche Inseln sind bedroht, Tuvalu etwa, gesunken ist noch nichts, es wird aber irgendwann kommen. Das liegt nur nicht am Klimawandel, sondern an anderen Eingriffen des Menschen: Die Küste Tuvalus wurde im 2. Weltkrieg stark verbaut, die USA nützten die Insel als eine Art Flugzeugträger.

Verbauung und Übernutzung schaden

Diese Infrastruktur bröckelt. Aber es müssen gar nicht so gewaltige Eingriffe sein, die Gesundheit der Riffe kann auf vielen Wegen geschädigt werden, durch Verbauungen, durch Übernutzungen, mancherorts wird zu viel Sand ausgebaggert, anderswo wird überfischt, auch das schwächt die Produktivität der Ökosysteme. Und das weiß man auch auf Kiribati, nicht im Präsidentenpalais, sondern im Fischereimuseum, ihm steht Naomi Biribo vor, sie hat beim Geomorphologen Colin Woodroffe studiert und gemeinsam mit ihm publiziert (Sustainability Science, 8, S. 345): „Die Erosion der Küsten kommt primär von lokalen Aktivitäten des Menschen. Weitere Eingriffe in den aktiven Strand erhöhen die Verletzlichkeit der Riffinseln für die erwartete Meeresspiegelerhöhung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2014)

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