Physik: Quantenkatze im roten Bereich

Schrödingers Katze
Schrödingers Katze(c) APA
  • Drucken

Ein Objekt mit Licht abzubilden, das gar nicht mit ihm in Berührung gekommen ist: Das ist einem Team um Gabriela Barreto Lemos an der Universität Wien gelungen.

Wenn das Emblem der klassischen Mechanik der Apfel (von Newtons Baum) ist und das Symbol der allgemeinen Relativitätstheorie der Fahrstuhl, mit dem Einstein seine Gedankenexperimente durchführte, dann ist das Wappentier der Quantentheorie die Katze. In zweierlei Gestalt: neuerdings als Lewis Carrolls Grinsekatze (im Original: Cheshire Cat, nach der Grafschaft Cheshire, wo die Katzen grinsten, weil die Grafen keine Steuern an die Krone zahlen mussten), die sich von ihrem Grinsen separieren lässt wie quantenphysikalische Teilchen von ihren Eigenschaften.

Vor allem aber seit 1935 als Schrödingers Katze: Dieses Tier ließ Erwin Schrödinger in einem Gedankenexperiment in einer Kiste schmachten, fatal verbunden mit einem Teilchen, das in einer Überlagerung aus zerfallen und nicht zerfallen ist, die Katze selbst also in einer Überlagerung zwischen Leben und Tod. Ihr Schicksal entscheidet sich erst, wenn man die Kiste öffnet, physikalisch gesagt: Ihr Zustand steht erst fest, wenn man ihn misst.

Diese geisterhafte Katze hat es zur Titelheldin einer Romantrilogie (von Robert Anton Wilson) geschafft und ist auch sonst populär. So ist es eine hübsche Idee, dass das Team um den sich stets der Kraft von Metaphern bewussten Anton Zeilinger in seiner nun in Nature (512, S. 409) publizierten Arbeit just Bilder einer Katze erzeugt.
Und zwar auf verblüffende Weise. „Wir beleuchten ein Objekt mit infraroten Photonen, die wir gar nicht registrieren. Dann gewinnen wir das Bild mit roten Photonen, die nie in der Nähe des Objekts waren“, erklärt die brasilianische Physikerin Gabriela Barreto Lemos, die derzeit Postdoktorandin an Zeilingers Institut ist.

Verschränkung macht's möglich


Wie kann das funktionieren? Mit Verschränkung, das ist eine Spezialität der Quantenwelt. Verschränkte Teilchen – etwa Lichtteilchen, Photonen – sind miteinander verbunden, ohne dass Information über den Raum übertragen werden muss. Solche Paare verschränkter Photonen entstehen, wenn Laserlicht auf eine bestimmte Art von Kristallen (nicht lineare Kristalle) trifft.

Barreto Lemos und ihre Kollegen erzeugten aus einem grünen Laserstrahl in zwei Kristallen solche verschränkten Paare aus Photonen mit unterschiedlicher Wellenlänge: jeweils eines rot und das andere infrarot. Dann platzierten sie das abzulichtende Objekt – eine Blende mit dem Umriss einer Katze – zwischen die beiden Kristalle, und zwar so, dass nur die infraroten Photonen aus dem ersten Kristall durch das Objekt gingen. Sie trafen auf die infraroten Photonen aus dem zweiten Kristall, und zwar so, dass man nachher nicht mehr unterscheiden konnte, woher die infraroten Photonen gekommen waren, dass also keine Information über das Objekt mehr in diesen enthalten war.
Genau dadurch war die Information über das Objekt nun nur mehr in den roten Photonen – obwohl sie das Objekt nie berührt hatten. Und so konnte aus der Interferenz der beiden roten Strahlen – einer aus dem ersten Kristall, einer aus dem zweiten – das Bild des Objekts entstehen: die Silhouette der Katze, einmal als Positiv, einmal als Negativ. Die infraroten Photonen, die sehr wohl mit dem Objekt in Wechselwirkung waren, mussten nicht registriert werden. Das wäre auch nicht leicht: Es gibt derzeit keine ausreichend leistungsfähigen Infrarotkameras.

Darin könnte eine praktische Bedeutung dieses Experiments liegen: „Man kann ein Objekt fotografieren, indem man es mit ultraviolettem oder infrarotem Licht bestrahlt, während man das Bild bei einer frei gewählten Wellenlänge aufzeichnet, für die es leistungsfähige Detektoren gibt“, sagt Anton Zeilinger. Das könnte man etwa für bildgebendde Verfahren in der Medizin nutzen. So haben Barreto Lemos und ihre Kollegen auf ihr Verfahren bereits ein Patent angemeldet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.